Auto, Rad, Fußgänger: So umkämpft sind Nürnbergs Straßen

12.9.2015, 06:00 Uhr
Zwischen Landgrabenstraße und Brehmstraße geht es in der Gibitzenhofstraße eng und gefährlich zu. Straßenbahn, Autos, Radfahrer und Fußgänger kommen sich in die Quere.

© Foto: Horst Linke Zwischen Landgrabenstraße und Brehmstraße geht es in der Gibitzenhofstraße eng und gefährlich zu. Straßenbahn, Autos, Radfahrer und Fußgänger kommen sich in die Quere.

Du kannst es nur falsch machen. Klingelst du, wenn du dich auf der Wöhrder Wiese von hinten einer Gruppe Fußgänger näherst, springen die Menschen erschrocken beiseite und gucken böse. Klingelst du nicht, sondern überholst langsam und mit Abstand, zucken sie auch zusammen und gucken böse.

Die einen schnell, die anderen langsam, das verträgt sich leider schlecht. Auch auf der Straße: 1706 verletzte, acht tote Fahrradfahrer, das ist die trostlose Nürnberger Bilanz von 2014. Die Polizei führt die Radler nicht ohne Grund unter dem Stichwort "Risikogruppe" in der Statistik.

Jeder schimpft

Im Alltag schimpft man über das löchrige Radwegenetz in der Stadt, über zu wenig Parkplätze fürs Auto. Aber man schimpft vor allem übereinander, gewohnheitsmäßig, leidenschaftlich. Je nachdem, mit welcher Identität man gerade unterwegs ist: Ein Radler fährt schließlich auch Auto, die Fußgängerin gerne Rad. Nur die Hierarchie bleibt. Oben das Auto, unten der Mensch zu Fuß. Dazwischen das Rad.

Das böse Wort vom "Kampfradler" fällt vor allem dort, wo sich Läufer und Radler den Weg teilen müssen. Auf fast der gesamten Ost-West-Route entlang der Pegnitz ist das der Fall, aber auch auf manchem Gehsteig, den die Planer notgedrungen für Radler freigegeben haben, damit sie nicht unters Auto kommen.

Beispiel Regensburger Straße, stadteinwärts: Ein kleines weißes Schild erlaubt das Radfahren bis zum Marientunnel, weil man hier auf der vielbefahrenen vierspurigen Einfallsstrecke Zweiräder sonst todsicher zum Abschuss freigeben würde. Das Trottoir ist breit, doch wer hier läuft, pocht gerne und aus Prinzip auf sein Recht — und hat das Schild womöglich gar nicht gesehen.

Nur 400 Meter Gehweg, doch ein schönes Beispiel für den Verteilungskampf, der tobt — und längst entschieden ist. Die Autos machen mindestens 85 Prozent des Verkehrs aus. Sie sind die Stärkeren, und Radwege sind leider auch wunderbare Parkplätze. Note 4 hat der Allgemeine Deutsche Fahrradclub Nürnbergs Fahrradklima vor kurzem gegeben. 2012 gab’s noch Note 3,8. Kein gutes Zeichen.

Raser in Wettkampfmontur

Trotzdem ist Selbstkritik gefragt. Setzen wir uns also wieder aufs Rad. Zwischen elf und 15 Prozent aller Verkehrsteilnehmer in Nürnberg tun das, immer noch ziemlich wenig, verglichen mit der motorisierten Konkurrenz. Fahren wir durchs Hallertor zur schönen Hallerwiese, wo im Sommer rund ums Café "Schnepperschütz" Kleinkinder, Hunde, junge und alte Menschen ungeordnet herumwuseln. Man kann Gift darauf nehmen, dass dort ein Rennradfahrer in voller Wettkampfmontur durchs Bild prescht, als gäb’s kein Morgen.

Ja, es gibt sie, die Rücksichtslosen. Die unsportlichen Sportlichen, die sich Platz verschaffen auf Kosten anderer. Sie ruinieren den Ruf der umweltfreundlichen Zweirad-Bewegung und machen Diskussionen wie die über den ersehnten Radweg über den Nürnberger Hauptmarkt so furchtbar schwierig.

Zugegeben, wem autogerechte Ampelschaltungen den Spaß am Radfahren verderben, wer von Blechkarossen bedrängt wird und von der Verkehrsplanung lange Zeit übersehen wurde, der ist wütend. Aber nicht nur Fahrradfahrer brüllen, klingeln oder schlagen schon mal aufs Autoblech. Im Großstadtverkehr halten auch viele Autofahrer das Rad für ihren natürlichen Feind.

Gäb's doch kein Rechthaber-Gen!

Fahren wir durch eine beliebige Nürnberger Nebenstraße, in der das Radeln entgegen der Einbahnstraße laut Verkehrsschild erlaubt ist. Ein entgegenkommender Autofahrer steuert frontal auf den Eindringling zu, hält und zwingt ihn abrupt zum Absteigen. "Einbahnstraße" brüllt er dem Radler entgegen.

Keine Frage, die anstrengende Fortbewegung im dichten Verkehr kann aus netten Menschen äußerst unangenehme Zeitgenossen machen. Dann schlägt das Rechthaber-Gen voll durch. Was hilft? Die Autos müssen kostbaren Platz abtreten, damit die Fortbewegung per Muskelkraft konfliktfreier verläuft. Entscheidend ist doch: Ein Rad stinkt nicht.

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