Azubis missbraucht: Nürnberger Konditor schrammt an Haft vorbei

19.12.2019, 17:37 Uhr
Der Altstadt-Bäcker ist bekannt. Doch was geschah in den Räumlichkeiten?

© Eduard Weigert Der Altstadt-Bäcker ist bekannt. Doch was geschah in den Räumlichkeiten?

"Das muss aufgeklärt werden“, sagt eine junge Frau im Zeugenstand. Sie hat damals in dem Betrieb eine Ausbildung begonnen – und keine guten Erinnerungen daran. "Sowas muss niemand in seiner Ausbildung erleben", sagt sie. Mit "sowas" meint sie die Übergriffe ihres Ausbilders. Jahrelang hatte sich dieser an seinen Lehrlingen vergangen, hat sie begrapscht, hat sie gepackt, hat versucht, sie zu überwältigen. Immer wieder. Und die Übergriffe nahmen kein Ende. Gingen die jungen Frauen in den Keller, um Mehl zu holen, folgte er ihnen. Als eine junge Frau den Konditor in seiner über dem Geschäft gelegenen Wohnung wecken sollte, packte er sie, drückte sie an die Wand und fasste sie an.

Wie aber soll man einem immer übergriffiger werdendem Vorgesetzten entkommen? Ein Mädchen vertraute sich einer Berufsschullehrerin an. Die Lehrkraft informierte die Handwerkskammer. Eine Auszubildende offenbarte sich ihrer Mutter. Eine Freundin der Mutter rief die Polizei auf den Plan – und die Beamten ermittelten vier mögliche Geschädigte. Das reichte der Staatsanwaltschaft, um bei einem Ermittlungsrichter einen Haftbefehl zu beantragen. Der erlässt ihn. Am 28. Februar klickten für den Zuckerbäcker die Handschellen.

Ermittlungen wurden damals eingestellt

Die Ermittler forschen weiter, jetzt erzählt eine weitere junge Frau, dass sie Opfer geworden ist. Aufgrund der Berichterstattung in den Medien meldet sich eine weitere Frau bei der Polizei – sie war schon 15 Jahre vorher von den Übergriffen des Konditors betroffen. Die Ermittlungen aber wurden damals eingestellt.

Und noch etwas wird deutlich: Die Mutter des Konditors – sie ist ebenfalls in dem Betrieb tätig – wusste von den Vorwürfen. Die Mädchen hatten sich Hilfe in der Konditorei gesucht, zogen eine Meisterin und eine Gesellin ins Vertrauen, die wiederum das Gespräch mit der Seniorchefin suchten. "Die Mutter will mit ihrem Sohn darüber gesprochen haben“, sagt Opferanwältin Monika Goller am Rande des Prozesses. Doch geändert hat sich nichts.

Belästigung in 50 Fällen

Als die Polizei anrückt, nimmt sie auch Datenträger des 33-Jährigen mit – und fand darauf kinderpornographisches Material. 1083 Bilder und 29 Videos mit explizitem Material lasen die IT-Forensiker aus Smartphone, Laptop und Co. aus.

Die Staatsanwaltschaft formulierte eine Anklage voller Wucht: "sexueller Übergriff in zwei Fällen und sexuelle Nötigung mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und sexuelle Belästigung in 50 Fällen und Besitz kinderpornographischer Schriften", so die Vorwürfe.

"Mein Mandant räumt die Vorwürfe vollumfänglich ein, es tut ihm leid, er spricht von seinem 'größten Lebensfehler'", so Verteidiger Thomas Dolmany in einer Erklärung für den Angeklagten vor Gericht. Er wisse, dass er das Geschehene nicht wieder gut machen könne, versuche aber an sich zu arbeiten. Konkret heißt das: Gleich nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft Mitte April suchte sich der 33-Jährige eine Psychologin. Vierzehn Sitzungen bei der Sexualtherapeutin hat er mittlerweile bereits absolviert. Weitere folgen. "Von sich aus, das war kein Tipp des Verteidigers“, so Dolmany.

Mit Lehrlingen kommt der Konditor auch nicht mehr in Berührung. Die Befugnis zur Ausbildung wurde ihm entzogen. All seine Ämter – der Zuckerbäcker war Vorstand der Meister und nahm Prüfungen ab – ist der 33-Jährige ebenfalls los.

Wie sind die Taten zu bestrafen?

Überhaupt: An dem Konditor hängen Arbeitsplätze. "Alles steht und fällt mit dem Angeklagten“, so Dolmany. Es gehe um die Existenz von rund 30 Mitarbeitern. Außerdem – auch wenn man damit kein Mitleid erwecken wolle – habe die Berichterstattung zu einem regelrechten Spießrutenlauf für die Mutter des Angeklagten und Mitarbeiter des Betriebs geführt. Boulevard-Journalisten hätten gar 1000 Euro geboten, um etwas Privates über seinen Mandanten zu erfahren. Heute sei sein Mandant vor allem im Büro tätig und kümmere sich um die Vor- und Nachbereitung der süßen Ware. Kontakt zu Mitarbeiterinnen in der Backstube habe er so kaum – auch aus Präventionsgründen.

Wie aber ist der 33-Jährige für seine Taten zu bestrafen? Die Staatsanwaltschaft hält zwei Jahre auf Bewährung für angemessen, Dolmany beantragt für seinen Mandanten ein Jahr und neun Monate auf Bewährung. Die Jugendkammer I des Landgerichts Nürnberg-Fürth – sie ist zuständig, weil einige der Geschädigten zur Tatzeit minderjährig waren – entscheidet sich am Ende für zwei Jahre. Das höchste Strafmaß, das noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.