Bauern im Knoblauchsland stehen stark unter Druck

7.12.2014, 07:59 Uhr
Bauern im Knoblauchsland stehen stark unter Druck

© Farzad Pourziaie

Unweit des Betriebs von Helmut Scherzer in der Mittelstraße in Kleinreuth hängt an einem Gartenzaun ein Plakat der Baufirma Schultheiß: „Wir kaufen Grundstücke.“ Schon des Öfteren waren Mitarbeiter der Baufirma bei Scherzer Klinken putzen. Doch der 53-jährige Landwirt verkauft nicht. Mit 6,5 Hektar, aufgeteilt auf zwölf Parzellen, ist sein Betrieb ohnehin klein.

Seit 1850 baut Helmut Scherzers Familie Gemüse an. „Jeder Landwirt möchte seine Flächen halten, das sind schließlich seine Produktionsstätten.“ Doch der Wandel im Knoblauchsland sei enorm. „In der Mittelstraße wurden in den letzten Jahren einige Betriebe abgerissen, weil die alten Bauern starben“, sagt Scherzer.

Reihenhäuser sind dafür gebaut worden. Rund um die Straßenbahnhaltestelle Thon seien längst die früheren Äcker zugebaut. „Wenn die neue Haltestelle Am Wegfeld fertig ist, sind dort nach 20 Jahren auch alle Felder bebaut“, unkt Scherzer. Die Stadt arbeitet an einem Entwicklungskonzept für das Knoblauchsland, große Gewächshäuser sollen nicht uferlos wuchern.

Es sei eben typisch für das Nürnberger Anbaugebiet, dass viele Bauern auf kleinen Flächen Gemüse pflanzen, sagt Scherzer. Und gegen die großen Glasflächen entlang der Lohestraße, hinter seinem Hof, habe es reichlich Proteste gegeben.

Tochter Christine Scherzer ist bereits in den Betrieb der Eltern eingestiegen. Etwas reiben sich die Vorstellungen der Generationen aneinander. Die 23-Jährige möchte vielleicht mehr an Einzelhandelsketten verkaufen, während Vater Helmut skeptisch ist, ob das verlässliche Kunden sind. Die Tochter überlegt, ob man bei den Kulturen „ausmisten“ sollte. Derzeit bauen die Scherzers bis auf Tomaten fast alles an. Kräuter, Salate, Lauch, Rote Beete, Kohl — „unsere Kunden am Großmarkt wollen viel Auswahl“, sagt Mutter Claudia.

Doch der Handel am Großmarkt wird härter. Scherzers Kunden sind kleine Läden. Von denen geben aber immer mehr auf, weil sie keine Nachfolger finden. Gute Abnehmer seien türkische Gemüsehändler, sagt Claudia Scherzer. Spinat sei ein erfolgreiches Nischenprodukt. Aber ganz ohne Lebensmittel-Kette geht es nicht, die Scherzers beliefern auch die Mix-Markt-Filialen. Claudia Scherzer fasst die Vorstellungen der Familie zusammen: „Ich möchte nur so viel anbauen, dass wir mit der Familie und wenigen Saisonarbeitern klarkommen.“

Keine Ängste

Trotz des überschaubaren Betriebs wollen die Scherzers von Existenzängsten nichts wissen. Man könne klein bleiben und dennoch genug erwirtschaften. An Direktverkauf ab Hof oder auf Wochenmärkten haben sie nie gedacht – dafür bräuchte man mehr teures Personal und zu viel Zeit.

Robert Bauer und sein Bruder Fritz in Höfles gehen genau diesen Weg. Auch ihr Betrieb ist mit zehn Hektar Gemüse und weiteren zehn Hektar Getreide und Wiesen nicht groß, doch schon die Oma hatte einen Stand auf dem Hauptmarkt und der Vater führte die Direktvermarktung weiter. „Mittlerweile verkaufen wir auf sechs Bauernmärkten“ und in der Gartenstadt seien sie außerdem mit dem Wagen unterwegs, erzählt Robert Bauer. Zehn Angestellte hat der Betrieb.

Vor 14 Jahren übernahm ihn Robert Bauer. Er stand vor der Wahl: Entweder im großen Stil an die Genossenschaft zu liefern, dafür hätte er in Fläche und Personal investieren müssen, oder noch mehr Wochenmärkte zu bedienen. Er entschied sich mit seinem Bruder für Letzteres. „Das war genau richtig“, meint der 38-Jährige.

Die Kundenbindung fördern die Bauers mit einem „Tag der offenen Tür“ auf dem Hof in der Höfleser Hauptstraße. Dort sind auch ihre massigen Kaltblüter zu bewundern. Die Pferde werden für Festzüge vermietet, ihr Mist ist eine guter Dünger fürs Gemüse.

Bauern im Knoblauchsland stehen stark unter Druck

© Ute Möller

Zur Direktvermarktung kommen Experimente mit Nischenprodukten hinzu: Robert Bauers Schwägerin Susanne baute heuer dicke Bohnen an. Die Puffbohnen kommen aus Italien und Spanien, ihre Kerne kann man als Gemüse oder püriert essen. „Wir versuchen, Kunden Ungewohntes schmackhaft zu machen“, sagt Robert Bauer. Wassermelonen gedeihen auf seinen Feldern ebenso wie Artischocken oder alte Sorten Gelbe Rüben. „Die wollen andere Bauern nicht, weil sie nicht gleichmäßig wachsen.“ Und nicht so einheitlich aussehen wie die abgepackten Möhren im Supermarkt.

Bauers beobachten die Veränderungen in Höfles genau. Die Baufirma Schultheiß stellt schräg gegenüber von ihrem Hof Einfamilienhäuser hin. Im Stadtplanungsausschuss lobten die Stadträte gerade erst das Projekt, weil Grundstücke für Eigenheime in der Stadt Mangelware sind.

Voll des Lobes

Auch Baureferent Daniel Ulrich war voll des Lobes für die neuen Häuser in Höfles. Doch wenn Familien von außerhalb zuziehen, dann verändere dies das Dorf, sagt Robert Bauer. Es gehe ja auch darum, dass sich neue Nachbarn in Vereinen engagieren und den Kontakt zu den Alteingesessenen suchen. Leider sei das nicht immer so. Und mehr Autos stünden jetzt auch herum.

Es scheint, dass derzeit in Nürnberg von der Politik grundsätzlich gelobt wird, was an Wohnungsbau passiert. Auch die geplanten Geschosswohnungen in der Wilhelmshavener Straße, nahe der neuen Straßenbahnhaltestelle „Am Wegfeld“, wurden jetzt vom Stadtplanungsausschuss ausdrücklich begrüßt.

Wie die Bauern künftig mit dem Druck der Bauträger umgehen, deren massives Interesse an Baugrund im Knoblauchsland die Flächenpreise nach oben treibt, bleibt abzuwarten. Insider berichten von sogenannten Optionsverträgen. Noch bevor ein Acker überhaupt Bauland ist, versuchen Bauträger, mit Bauern handelseinig zu werden. Deren einzige Sicherheit: Für die Quadratmeter, die tatsächlich mal bebaut werden dürfen, verspricht ihnen der Investor einen Quadratmeterpreis. Für den Rest geht der Landwirt allerdings leer aus.

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