Bei Kindern ist alles anders

12.3.2012, 05:00 Uhr
Bei Kindern ist alles anders

© Michael Matejka

Davor haben alle Angst: Der Piepser geht und irgendwo warten verzweifelte Eltern und ein Baby mit Herz-stillstand. „Ich habe selber drei Kinder, ich will da fit sein“, sagt Rettungsassistent Werner Schaller und legt der bleichen Gummipuppe auf dem Tisch sorgfältig die Atemmaske an.

„Das Kind, das komplizierte Wesen?“ Dr. Michael Schroth, der Chef der Kinderintensivmedizin der Uniklinik Erlangen, hält den Workshop. Alles sei anders bei Kindern. Der Puls zum Beispiel, der in der Leiste getastet werden muss. Statt über die Vene („bei einem speckigen Säugling kaum möglich“) muss die rettende Infusion direkt ins Knochenmark des winzigen Schienbeins gesetzt werden.

Wer weiß schon, dass bei der Herzdruckmassage nur 15-mal gepresst und dann zweimal beatmet werden muss, statt wie beim Erwachsenen 30 Mal? Dass ein Flattern der Nasenflügel schwere Atemnot bedeuten kann? Die Hemmschwelle, Hand anzulegen, sei bei Kleinkindern viel größer, sagt der Mediziner. Das gilt auch für Sanitäter, weshalb der Experte seinen Zuhörern Mut macht zum Eingreifen: „Kinder halten erstaunlich viel aus.“

Grenzerfahrungen? Sanitäter Schaller hat sie gemacht. Ein Bub war vom Traktor gestürzt, ein Stahlbügel hatte ihm den Hals abgedrückt. Er wurde reanimiert und überlebte mit schweren Hirnschädigungen. Schaller: „Da sind die Angehörigen in die Wache gekommen und haben gesagt: Wir hätten ihn lieber beerdigt und getrauert, als das.“

Wasserrettung, Hubschrauberabsturz, Bergung aus dem Hochhaus, das sind Themen, die theoretisch und praktisch abgearbeitet werden. Doch die Allgemeinmedizinerin Britta Sonnenschein, die den Notfallkonvent auf dem Areal der Bereitschaftspolizei mit Polizeiarzt Klaus Friedrich organisiert hat, findet auch die Berufspolitik wichtig. Der Lohn der Retter sei mit rund 1800 Euro brutto so „miserabel“, dass vielen sogar die 45 Euro für die Fortbildung zu viel waren. „Die Wertschätzung fehlt“, sagt sie, dabei würden Hilfskräfte nicht selten beschimpft und angegriffen.

Die 36-Jährige ist als Notärztin in der Region unterwegs, mit den Kollegen teilt sie die Leidenschaft fürs Helfen, die sie schon als Schulsanitäterin verspürte. Dann packen alle mit an, als ein Verletzter aus einem ausgemusterten Hubschrauber geborgen werden muss. Ein Absturz, auch eine Grenzsituation, die es nicht alle Tage gibt. „Eins, zwei, hopp“ heißt es, und wer den Mann auf der Trage einmal verkehrt herum aus der Maschine gezerrt hat, macht das kein zweites Mal falsch.

Überwindung kostet es die Freiwilligen, die sich im Rettungskorb in den siebten Stock hieven lassen und, nach ein paar Schrecksekunden, in schwindelnder Höhe über die Balkonbrüstung einsteigen. Der Mutigste spielt den Patienten, der sich auf der Trage im Korb nach unten transportieren lässt.

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