Beistand nach Unfällen und Übergriffen in der VAG

3.2.2018, 05:48 Uhr
Wenn ein Hindernis die Schienen blockiert oder Menschen auf den Gleisen herumlaufen, sind U-Bahnfahrerinnen und -fahrer hilflos (dieses Bild hat nichts mit einem Unfall zu tun). Obwohl sie bremsen, wissen sie, dass der Zusammenprall unausweichlich ist.

© Foto: Michael Matejka Wenn ein Hindernis die Schienen blockiert oder Menschen auf den Gleisen herumlaufen, sind U-Bahnfahrerinnen und -fahrer hilflos (dieses Bild hat nichts mit einem Unfall zu tun). Obwohl sie bremsen, wissen sie, dass der Zusammenprall unausweichlich ist.

Zuhören, beruhigen, den Weg zum Arzt oder nach Hause organisieren, einfach da sein: Die Erstbetreuer stehen den Mitarbeitern der Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG) nach einem traumatischen Ereignis bei. Ein schwerer Arbeitsunfall, ein Suizidversuch, ein tödlicher Zusammenstoß, ein Fahrgast, der reanimiert werden muss: In diesen Situationen wird bei der VAG ganz selbstverständlich auch der Erstbetreuer gerufen. Seit 2004 sind die freiwilligen Helfer, alle übrigens selbst VAG-Mitarbeiter, im Einsatz. Dies sei eine wichtige Hilfe, betont der stellvertretende Betriebsleiter für den Bereich Straßenbahn und U-Bahn, Horst Osterrieder.

Nach einem Unglück zählt jede Minute: Die Feuerwehr sichert die Unfallstelle, Notarzt und Sanitäter versorgen die Verletzten, die Polizei ist zuständig für die Unfallaufnahme. "Die sind alle beschäftigt — um den Fahrer, die Fahrerin kann sich keiner kümmern, weil keine Zeit ist."

Die Erstbetreuer vermitteln die Botschaft: "Ich bin für dich da!" Mit diesem Satz meldete sich der ehrenamtliche Helfer Ludwig Fleischmann Anfang 2017 bei seinem Kollegen nach einem schrecklichen Unfall in der Südstadt: Eine Frau war damals von einer Straßenbahn erfasst worden, sie erlag an Ort und Stelle ihren Verletzungen. Der Straßenbahnfahrer sei sehr ruhig gewesen, erinnert sich Ludwig Fleischmann: "Er war so weiß im Gesicht." Als dann der Leichenwagen kam, sorgte der Ehrenamtliche dafür, dass sein Kollege im Rettungswagen blieb — er wollte ihn aus der bedrückenden Situation heraus halten.

Die Erstbetreuer Reinhard Kuhn, Ludwig Fleischmann und Christian Urban (v.l.) kümmern sich nach schweren Unfällen um die VAG-Fahrer.

Die Erstbetreuer Reinhard Kuhn, Ludwig Fleischmann und Christian Urban (v.l.) kümmern sich nach schweren Unfällen um die VAG-Fahrer. © Foto: Günter Distler

Die derzeit elf Erstbetreuer — bald werden es standardmäßig wieder 20 Helfer sein — achten darauf, was ihr Kollege gerade braucht. Und manchmal, da müsse man einfach Entscheidungen für die geschockten Kollegen treffen, wie Erstbetreuer Christian Urban sagt: "Wir organisieren vieles." Die Zahl der Einsätze schwankt: 2012 wurden die Freiwilligen elfmal gerufen, im Jahr 2014 gab es 24 Einsätze, 2017 waren es elf Einsätze. Tendenziell gibt es bei der VAG aber immer mehr Verkehrsunfälle: Waren es 2012 noch 127 Unfälle, so wurden 2017 152 Zusammenstöße registriert.

Auch die körperlichen Angriffe von Kunden auf Fahrer, Fahrausweisprüfer und andere VAG-Mitarbeiter nehmen zu. Immer öfter werden VAG-Beschäftigte geschlagen, geschubst, getreten: 2013 wurden noch 31 gewalttätige Übergriffe gegenüber VAG-Mitarbeitern gemeldet, im vergangenen Jahr waren es 52.

Mitunter kommt es vor, dass die Erstbetreuer Hilfe brauchen. So engagiert sich Busfahrer Reinhard Kuhn seit Start des Projekts als Ehrenamtlicher — und musste vor einigen Monaten einen schweren Übergriff erleiden. Nach dem Polizeieinsatz eilte sogleich ein Ersthelfer zu ihm: Es war ein vertrauter Kollege, der sich nach dem ihm bestens bekannten Erstbetreuer-Ablauf kümmerte. Es waren die Sätze, die er sonst selbst sagte — und sie gaben ihm Kraft. Wenigstens eine positive Nebenwirkung hat das schlimme Erlebnis: "Jetzt kann ich mich noch besser in die Lage der Betroffenen hinein versetzen."

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