Bis zur Hüfte im Schlamm: Mann rettet Jungen aus abgelassenem Dutzendteich

19.10.2020, 17:13 Uhr
Im Winter wird das Wasser des Dutzendteichs abgelassen. Übrig bleibt eine schlammige Brühe, die nicht zum Spazierengehen geeignet ist.

© Hermann K. Klink Im Winter wird das Wasser des Dutzendteichs abgelassen. Übrig bleibt eine schlammige Brühe, die nicht zum Spazierengehen geeignet ist.

Ralf Pechmann ist zu diesem Zeitpunkt am Nordufer des Sees unterwegs, auf einem Gehweg unterhalb der Zeppelinstraße, in der Nähe des Nürnberger Rudervereins. "Es war ja schönes Wetter", sagt der 30-Jährige. Das Wasser ist zu diesem Zeitpunkt bereits weg, wie jedes Jahr im Winter. "Wir lassen meistens Ende September, Anfang Oktober ab, dann wird der See abgefischt", erklärt André Winkel vom Servicebetrieb öffentlicher Raum (Sör).


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Die freie Fläche ist offenbar so einladend, dass am Sonntag gleich mehrere Menschen die Fußwege verlassen und den Ufergrund betreten. "Da waren viele drin, auch Erwachsene", erinnert sich Pechmann. Eine Frau sei mit einem Kinderwagen über den Matsch spaziert. Am Nordufer wird der Nürnberger dann aus seiner Sonntagsruhe gerissen: Ein Junge, der ein gutes Stück entfernt vom Ufer im Schlamm steckt, ruft lautstark um Hilfe. Nur der Oberkörper ragt noch aus dem Morast.

Bierbank dient als Rettungshilfe

Sör lässt den Dutzendteich im Winter ab, um Reparaturarbeiten durchzuführen - und, um Schlamm abzubaggern. Jedes Jahr lagere sich neues organisches Material ab, sagt Winkel, zum Beispiel durch Blätter. Sie bilden am Grund des Sees eine dicke Sedimentschicht, die abgetragen werden muss. Die Bagger rücken dieses Jahr aber erst Ende Oktober an. Zu spät für den Jungen.


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Mehrere Passanten bemerken das Kind, doch vor dem Weg durch den Matsch scheuen sich einige. Zusammen mit zwei, drei Erwachsenen wagt sich Ralf Pechmann auf die freie Fläche, die braune Suppe reicht allerdings schnell bis zu den Knöcheln. Da schnappt sich der 30-Jährige kurzerhand eine Bierbank von einem nahe gelegenen Kiosk und stapft Richtung Seemitte. Der Junge ist etwa 300 Meter vom Ufer entfernt.

"Das ist wie Treibsand"

"Am Anfang geht es noch, dann zieht´s einem fast die Schuhe aus", beschreibt der Nürnberger den Morast, der sich am Grund des Gewässers gebildet hat. Der Junge habe bereits bis zur Hüfte im Schlamm gesteckt. "Das ist wie Treibsand, je mehr man sich bewegt, desto schlimmer wird es."

Für Sör-Sprecher André Winkel ist das keine Überraschung. "In der Mitte des Sees verläuft die Wasserrinne", erklärt er, sie bestimmt die Fließrichtung des Gewässers. "Das ist ein bisschen wie ein Priel in der Nordsee." Wer hier läuft, hat schnell keinen festen Boden mehr unter den Füßen.

Mithilfe der Bierbank können die Retter den Jungen schließlich herausziehen. Als er frei ist, legen sie ihn auf die Holzbank und ziehen ihn ans Ufer. Auch ein Freund des Geretteten, der durch den Schlamm bis auf ein paar Meter an seinen Kumpel herangekommen war, bekommt wieder festen Boden unter den Füßen. Als die Retter die beiden etwa Zehn- bis Zwölfjährigen allerdings nach ihren Namen fragen und die Eltern informieren wollen, ergreifen sie Flucht.

Das Warnschild nahe der Kongresshalle, hier bei Hochwasser, soll Passanten davor warnen, die Fläche im Winter zu betreten.

Das Warnschild nahe der Kongresshalle, hier bei Hochwasser, soll Passanten davor warnen, die Fläche im Winter zu betreten. © Sör/Stadt Nürnberg, André Winkel

"Man kann denen ja keinen Vorwurf machen", findet Pechmann, die Jungs hätten die Lage wohl einfach falsch eingeschätzt. Er bemängelt allerdings fehlende Verbotsschilder oder Sperren, um auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Ein Verbotsschild gibt es laut Sör - es steht allerdings auf der anderen Seite des Sees an der Grünanlage vor der Kongresshalle. Dort befindet sich der Grundablass, eine Schlammgrube, in der sich die Sedimente des Dutzendteichs idealerweise sammeln sollen. "Die ist vier bis fünf Meter tief", weiß Winkel. Betreten nicht empfohlen.

Allgemein ist das Betreten des Sees nur in der Grünanlagensatzung der Stadt verboten. Trotzdem gab es laut Sör bisher kaum Zwischenfälle. "Wir kennen das Problem vom Stadtparkweiher", sagt Winkel. Dort blieb vor einigen Jahren eine Frau stecken, die Feuerwehr musste anrücken. In den abgelassenen Dutzendteich hat sich vor einiger Zeit ein Autofahrer verirrt, sein Wagen musste schließlich geborgen werden. Spaziergänger Pechmann ist froh, dass nicht mehr passiert ist. Er bezahlte die Rettungsaktion lediglich mit einem Paar Schuhe. Die fehlende Bierbank meldet er schließlich bei "Walter´s Imbiss", wo er sich für seinen Einsatz bedient hatte. Geld wollte niemand von ihm. Er hofft aber, dass einer der Jungen den Anstand besitzt, sich dort zu melden. Wenigstens, um Danke zu sagen.

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