Blackout in der Region: Wie robust ist unser Stromnetz?

25.6.2019, 05:47 Uhr
Blackout in der Region: Wie robust ist unser Stromnetz?

© Roberto Almeida Aveledo/ZUMA Wire/dpa

Annemarie Endner entschuldigt sich gleich am Eingang des Kraftwerksstandorts Sandreuth: "Der Aufzug funktioniert nicht. Wir müssen die Treppe in den vierten Stock nehmen", erklärt die N-Ergie-Pressesprecherin. Unser Ziel an diesem hochsommerlich heißen Nachmittag: Gerald Höfer, Geschäftsführer der Main-Donau Netzgesellschaft.

Die N-Ergie-Tochtergesellschaft ist für ein rund 27.000 Kilometer langes Stromnetz verantwortlich, das sich über die Region und angrenzende Regierungsbezirke erstreckt – und Höfer damit der richtige Mann, um über das Thema Blackout zu sprechen und das Risiko, einen solchen massiven Stromausfall erleben zu müssen, wie es ihn vor kurzen Südamerika gegeben hat.

Wie robust ist das Netz?

Dem Ingenieur ist erst einmal die Definition wichtig: "Ein Blackout ist für mich ein großflächiger Stromausfall, ausgelöst durch Krisen und Katastrophen." Und so etwas habe er – "ich bin seit 1995 bei dem Unternehmen" – noch nicht erlebt. Zwar sorgten große Stürme schon mal dafür, dass mehrere Orte im Netzgebiet für bis zu einem Tag ohne Strom waren. In die Kategorie Blackout fallen solche Ereignisse für Höfer aber nicht.

Blackout in der Region: Wie robust ist unser Stromnetz?

© Verena Litz

Dass es zu einer solch extremen Störung der Energieversorgung in Europa kommen kann, sei "nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich", sagt Höfer. Seine Begründung: Bei der Steuerung der Netze und der Qualität der Anlagen, der Infrastruktur, "stehen wir im weltweiten Vergleich gut da". Dennoch, schiebt er nach, müsse man immer wieder hinterfragen: Wie robust ist das Stromnetz, wie groß ist seine Resilienz gegenüber Blackouts? Als Resilienz wird in den Ingenieurwissenschaften die Fähigkeit von technischen Systemen bezeichnet, bei Störungen oder Teilausfällen nicht komplett zu versagen, sondern wesentliche Systemdienstleistungen aufrechtzuerhalten.

Immer wieder üben

Mögliche Krisenfälle – dazu zählen auch Cyber-Attacken – werden deshalb laut Höfer regelmäßig durchgespielt. Und zwar auch mit den Übertragungsnetzbetreibern, also den Herren der großen Stromautobahnen. Ausfälle wie jüngst den in Südamerika müsse man nutzen, um das Krisenmanagement im eigenen Land zu optimieren, inklusive regelmäßiger Übungen, betont Höfer. "Sich Gedanken machen, was passiert, wenn’s passiert": Das sei eine Daueraufgabe.

Und zwar nicht nur für die Stromwirtschaft. Nach fester Überzeugung des Managers muss sich die Gesellschaft insgesamt für Katastrophenfälle rüsten, um im Falle eines Falles vorbereitet zu sein. Eine ganz zentrale und mit Blick auf die Automatisierung und Digitalisierung unseres Alltags hochbrisante Frage dabei: "Schaffen wir es, für solche Situationen eine gesicherte Kommunikationsebene aufzubauen?" Ohne die nämlich wird’s schnell richtig eng.

Mit Stromausfällen kennen sich auch die New Yorker aus – im Oktober 2012 etwa drehte der Hurricane Sandy vielen Menschen in der US-Metropole das Licht ab.

Mit Stromausfällen kennen sich auch die New Yorker aus – im Oktober 2012 etwa drehte der Hurricane Sandy vielen Menschen in der US-Metropole das Licht ab. © Allison Joyce/Getty Images/afp

Die Steuerung der Leitungsnetze ist mit der Energiewende und der damit einhergehenden zunehmenden Dezentralisierung der Stromerzeugung nicht leichter geworden. Durch die insgesamt steigende, dabei aber je nach Wetterlage stark schwankende Einspeisung regenerativ erzeugten Stroms haben sich die Anforderungen an das Netzmanagement erhöht: Es sind mehr Eingriffe ("Redispatch") nötig, um den Stromfluss stabil und die Frequenz im Netz gleichmäßig bei 50 Hertz zu halten.

In allen europäischen Kraftwerken drehen sich die Generatoren mit der gleichen Geschwindigkeit, erläutert die Amprion GmbH, einer der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber: Genau 50-mal pro Sekunde rotieren die Generatoren und erzeugen den Wechselstrom mit einer Frequenz von besagten 50 Hertz. "Sinkt oder steigt die Frequenz im Netz, so wird die Funktion zahlreicher elektrischer Geräte wie Computer, Fernseher oder Motoren beeinflusst. Aber auch die Generatoren können beschädigt werden, sofern die Frequenz auf unter 47,5 Hertz sinkt", erklären die Fachleute.

 

Kurz: Es gibt immer mehr zu tun für die Stromnetzexperten, und zwar auf allen Spannungsebenen, also auch in den Verteilnetzen, wie sie die Main-Donau Netzgesellschaft betreibt. "Langweilig wird mein Job nicht", versichert Höfer fröhlich.

Die Sache mit dem "Schwarzstart"

Zu den Herausforderungen, die es zu meistern gilt, um bei einem Blackout nicht gänzlich stromlos zu sein, zählt die sogenannte Inselnetzbildung. Die Idee dabei: Regionale Akteure schaffen durch eine entsprechende Zusammenarbeit die Möglichkeit, ein Kraftwerk auch ohne Unterstützung durch das Stromnetz anfahren zu können ("Schwarzstart").

"Daran arbeiten wir", sagt Höfer. Mit einer solchen Lösung – eine Art Notstromaggregat XXL – bestünde die Chance, Städte wie Nürnberg bei einem Blackout zumindest in Teilen mit Energie versorgen zu können.

Wer jetzt glaubt, mit einer Solaranlage auf dem Dach oder einem eigenen Mini-Windrad bei einem flächendeckenden Stromausfall fein heraus, weil autark zu sein, liegt in den allermeisten Fällen falsch. Denn damit das funktioniert, muss die installierte Technik inselnetzfähig sein, wie Höfer erklärt. "Solche Systeme gibt es – die allerdings besitzen die wenigsten."

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