Blitzlicht und Bettelei: Nürnbergs Kirchen ringen um Ruhe

21.12.2014, 06:00 Uhr
Blitzlicht und Bettelei: Nürnbergs Kirchen ringen um Ruhe

© Michael Matejka

Der Engelsgruß hat Glück. Er hängt weit oben - viel zu weit weg, um von neugierigen Gästen angefasst zu werden. Das Kunstwerk von Veit Stoß liegt in sicherer Entfernung von Menschen, die glauben, alles anfassen zu müssen – fotografiert wird es dennoch, auch mit Blitz. Obwohl das gar nicht erlaubt ist. Die Lorenzkirche ist die Kirche am Weg. Wer in der Stadt unterwegs ist, der kommt an ihr kaum vorbei. Sie ist voller Kunstschätze und ihr großer Raum selbst für Einheimische immer wieder aufs Neue ein Erlebnis. Sie ist ein Magnet: Etwa 750.000 Menschen besuchen pro Jahr das gotische Gotteshaus. Ein Zulauf, über den sich freilich auch Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein freut. „In der Regel stellen wir schon eine gewisse Achtsamkeit der Besucher fest. Aber die hohe Frequenz während des Advents bringt auch Dinge mit sich, wo wir aufpassen müssen“, so die Pfarrerin.

120.000 Besucher

Während der vier Adventswochen besuchen etwa 120.000 Menschen allein die Lorenzkirche, an manchen Tagen stehen die Leute am Eingang Schlange. In dieser Situation sei es schwierig, den Überblick zu behalten. „Wir müssen darauf achten, dass die Besucher zum Beispiel nicht mit Stativ und Blitz fotografieren“, sagt Claudia Voigt-Grabenstein. Zum einen besäße man die Bildrechte, zum anderen schade das Blitzen auf Dauer den bedeutenden Kunstwerken. „Aber kontrollieren können wir das nicht.“ Man bräuchte viel mehr Ehrenamtliche, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen, wie man sich in einer Kirche verhält. „Manchen ist die Selbstverständlichkeit eines geistlichen Raumes wohl einfach nicht klar.“

Eine Beobachtung, die auch der Pfarrer von St. Sebald, Jonas Schiller, gemacht hat. „Bei Touristen haben wir den Eindruck: Von je weiter her sie kommen, umso weniger wissen sie, was man in einer Kirche nicht machen sollte, wie zum Beispiel, zum Altar zu gehen“, sagt er. Gerade Gäste aus Asien fehle zuweilen das Verständnis. Der Mesner und Ehrenamtliche würden die betreffenden Besucher dann freundlich darauf hinweisen. „Aber grundsätzlich freuen wir uns, wenn viele kommen. Schließlich leben wir davon“, wie es Schiller ausdrückt. Selbst wenn man gerade im Advent mehr zu tun hätte — auch mit Aufräumen und Saubermachen.

Auch Pfarrer Markus Bolowich bezeichnet die Adventszeit für seine Kirche als „eine gewisse Herausforderung“. Denn direkt am Hauptmarkt gelegen, finden freilich viele den Weg in die Frauenkirche. An einem Samstag im Advent besuchten „weit über 10.000 Menschen“ die Frauenkirche, so Bolowich. „Wir versuchen, das im guten Sinn zu sehen. Jeder ist willkommen, aber wir sind natürlich auch ein Raum des Gebets“, sagt er. Aber nicht jeder hätte dafür Verständnis. „Manche kommen auch rein und wollen einfach nur ihr Bratwurstbrötchen bei uns essen und ihren Glühwein trinken.“ Das gehe natürlich nicht. Mit vermehrter Bettelei habe man im Moment nicht zu tun.

Anders sieht es in St. Lorenz aus. „Die Bettelei hat bei uns massiv zugenommen. Inzwischen sind wir an der Grenze“, sagt Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein. Auch leide man nun noch mehr unter der Straßenmusik. „Da hilft es auch nicht viel, wenn eine Musikgruppe dann 100 Meter weiterwandert“, wie sie es ausdrückt. Der Lärm dringt dennoch ins Gotteshaus.

Wer auf der Straße musizieren will, braucht eine Genehmigung für diese Sondernutzung. Dabei können die Musiker nur eine halbe Stunde an einem Ort stehen und müssen dann mindestens 100 Meter weiterziehen, an die gleiche Stelle dürfen sie nicht zurückkehren.

Abstand halten

Beim zuständigen Liegenschaftsamt hält man die Regelung für ausreichend. „Zu einer Kirche müssen mindestens 20 Meter Abstand eingehalten werden. Ich denke, das reicht“, sagt Brigitte Jäger vom Liegenschaftsamt. Es würden in der Regel auch nur fünf Spielerlaubnisse pro Tag für die Innenstadt erteilt — auch im Advent. Allerdings mit der Auflage, nicht zu nah am Christkindlesmarkt zu stehen, die Adlerstraße sei hier die Grenze, so Brigitte Jäger.

In St. Lorenz versucht man unterdessen, der steten Unruhe auf eigene Weise Herr zu werden. Konzerte, Mittagsgebet und spezielle Veranstaltungen sollen für die rechte Stimmung sorgen und Struktur in das Treiben bringen. „Die Kirche soll ja eine Insel sein“, sagt Claudia Voigt-Grabenstein. Doch von vielen werde eben nicht wahrgenommen, dass während eines Gottesdienstes nun mal Ruhe herrschen soll. Auch im Advent.

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