Bund Naturschutz will 200 Jahre alte Eiche in Nürnberg retten

14.3.2019, 05:56 Uhr
Bund Naturschutz will 200 Jahre alte Eiche in Nürnberg retten

© Michael Matejka

Viele Meter ragt der Baum in den Himmel, er ist schon von weitem zu sehen. Jetzt aber soll die Eiche verschwinden, einem Neubau zum Opfer fallen. Die Nachbarn, der Bund Naturschutz Nürnberg und der Bürgerverein Jobst-Erlenstegen aber wehren sich dagegen. Die alte Eiche in der Eichendorffstraße ist vielen ans Herz, vor allem aber ist sie gesund gewachsen. Dennoch soll sie weichen, weil auf dem Grundstück ein Mehrfamilienhaus entsteht. 14 Wohnungen sind hier geplant. Inzwischen klafft ein Loch dort, wo alte Gebäude abgerissen wurden und die Eiche neben einer Baugrube noch steht.

Geht es nach den Anwohnern, soll sie das auch weiterhin tun. Schließlich ist "der schöne Baum prägend fürs Straßenbild", sagt ein Nachbar. Mit Blick auf das 4600 Quadratmeter große Gelände "ist doch immer noch genügend Platz für einen Neubau da", findet er. Überhaupt würden solche großen und prächtigen Bäume seltener in Nürnberg, sagt eine Anwohnerin. "Man sollte die Eiche zum Naturdenkmal erklären, anstatt über ihre Fällung nachzudenken." Geht es nach ihr, sollte der alte Riese für folgende Generationen erhalten werden.

"Vital und gesund"

Das sieht Oliver Schneider genauso. Der Landschaftsarchitekt hat im Auftrag des Bunds Naturschutz die Eiche genau unter die Lupe genommen. Er schätzt das Alter der 30 Meter hohen Stieleiche mit einem Stammumfang von 299 Zentimeter auf 200 Jahre, ist aber sicher, dass sie noch einmal 300 Jahre älter werden könnte. Der Baum mache einen "sehr vitalen, gesunden Eindruck", hat aufgrund seines "geraden, hochstrebenden Wuchses" auch eine "optimale Statik".

Von Totholz, Stammverletzungen oder Faulstellen also keine Spur. Für Schneider hat der Baum auch einen "aufwertenden, mondänen Effekt für die Immobilie". Er findet, der Baum sollte integriert werden. Oder wie eine Anwohnerin sagt: "Es wäre ein Frevel, wenn die Stadt genehmigt, dass die uralte Eiche gefällt werden darf!"

Nur hat sie das bereits — vor mehr als zehn Jahren. Das weiß auch Klaus Köppel. Er leitet das Umweltamt der Stadt Nürnberg. Auch Köppel sieht für den Baum aufgrund seines Zustandes eine "langfristige Perspektive" — wäre da nicht der Bebaungsplan von 2005. Dort ist festgehalten, dass Bäume "innerhalb der Baugrenzen gefällt werden dürfen".

Ein Urteil, das auch Köppel überrascht — der es sich selbst aber nicht so leicht machen will. Die Möglichkeiten aber sind aufgrund des Bebauungsplans und der Tatsache, dass es sich um Privatgrund handelt, begrenzt: Die Behörde hat nun vorgeschlagen, dass ein Gutachten in Auftrag gegeben wird — was wieder der Bauherr übernehmen müsste.

Stiftung für Hilfsbedürftige

Das ist die "Fritz und Dr. Edith Rieder-Stiftung", verwaltet von Joachim Kottke. Der Anwalt und frühere Sozialreferent der Stadt Nürnberg aber hält ein Gutachten für unnötig. "Weil wir einfach keine andere Möglichkeit sehen, die Eiche steht mitten in dem Bereich, der bebaut werden soll." Seit Dezember ist der Bauantrag bei der Stadt eingereicht — ohne Eiche — und wartet nun auf die Genehmigung. Mit dem Bau des Mehrfamilienhauses hofft die 2017 gegründete gemeinnützige Stiftung, Erträge zu erwirtschaften, mit denen hilfsbedürftige Nürnberger unterstützt werden sollen. Die Kosten für ein Gutachten, rund 4400 Euro laut Kottke, würde der Stiftungsverwalter lieber nutzen, um ein bis zwei neue Eichen zu pflanzen. Joachim Kottke hat auch ein Herz für alte Bäume, sagt er. "Wir haben 20 vergleichbare Bäume", behauptet er, die meisten seien Eichen, "und ich setze mich für jede ein." Nur für die eine Eiche sei eben kein Platz.

Zwei Gebäude möglich?

Der Bürgerverein Jobst-Erlenstegen will die "mittig im Grundstück stehende Eiche erhalten wissen". Das schreibt Annette Gröschner an die Bauordnungsbehörde. Die Vorsitzende des Bürgervereins fragt, ob nicht zwei Gebäude seitlich der Eiche möglich sind — "zugunsten des Ortsbildes und des Gesamteindrucks der Eichendorffstraße".

Auch Mathias Schmidt hofft auf ein Umdenken. Vor allem empört das Mitglied beim Bund Naturschutz, wie lapidar 2005 das Urteil über diese Eiche gefällt wurde — und die Baumschutzverordnung völlig außen vor gelassen wurde. Er hofft, dass sich die Praxis inzwischen verändert hat. Baurecht vor Baumrecht muss endlich ein Ende haben.

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