Burnout eine Modediskussion?

26.10.2011, 18:15 Uhr

Interessierte hatten im Haus Eckstein die Möglichkeit, Fachvorträge zu hören und sich in parallel laufenden Kleingruppen dem körperlich, emotional und kreativ Erfahrbaren zuzuwenden, beispielsweise bei Yoga, T‘ai Chi, Tanz- und Kunsttherapie oder kreativem Schreiben.

Über seinen Eröffnungsvortrag stellte Dr. Dr. Günter Niklewski, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg, zunächst die Frage „Nehmen Depressionen tatsächlich zu?“ Der Anteil der behandlungsbedürftig Depressiven in der Bevölkerung bleibe seit Jahren stabil bei sechs Prozent, sagt Niklewski und fordert: „Die Modediskussion Burnout muss aus den Schlagzeilen raus!“ Burnout gebe es im Sinne der ärztlichen Klassifikation gar nicht. Allerdings gebe es „einen gesellschaftlichen Prozess, normale Dimensionen des Erlebens zu psychiatrisieren.“ Viel wichtiger sei die Konzentration darauf, was gesund macht oder erhält.

Das kann schon eine ausreichende Dosis Tageslicht sein, erfahren wir von Niklewskis Kollegen Dr. Jens Acker. Etwa bei einer „saisonalen Depression“ sei Lichttherapie, durch die die im Winter gedrosselte Serotoninproduktion gefördert wird, sehr erfolgreich. „Es gibt allerdings auch unseriöse Anbieter“, warnt Acker. Wichtig sei nicht nur die Lux-Zahl, sondern auch Art der Dauer der Einstrahlung. Was jenseits von Tabletten gegen Schlafstörungen hilft, war Frau Prof. Kneginja Richters Thema. Zunächst sei es völlig normal, dass der Schlafbedarf mit dem Alter weniger wird, sagt die Fachärztin von der Schlafambulanz des Klinikums Nürnberg. Erst wenn Ein- und Durchschlafschwierigkeiten länger als vier Wochen andauern, spreche man von Insomnie.

Kontraproduktiv sei es zum Beispiel, nachts auf die Uhr zu schauen. Was zunächst paradox klingt – „Ohne Licht kein Schlaf!“ – erklärt sich laut Richter damit, dass das im Licht enthaltene Vitamin D über die Augen ins Gehirn gelangt und dort letztlich die Freisetzung des „Schlafhormons“ Melatonin fördert.

Baldrian hat sich nur leicht schlaffördernd gezeigt

Für diesen Prozess sei außerdem ein Stoff namens Tryptophan wichtig, der zum Beispiel über Milch aufgenommen werden kann. „Auch mit Akupressur am Ohr ist es erwiesenermaßen möglich, gut auf den Schlaf einzuwirken“, sagt Richter. Allerdings sei der Effekt recht kurzfristig. Baldrian habe sich nur leicht schlaffördernd gezeigt.

Über sogenannte „biologische Behandlungsformen“ referierte Dr. Florian Müller-Siecheneder. Methoden dieser Kategorie kommen bevorzugt für therapieresistente Patienten oder bei Medikamentenunverträglichkeit infrage. Seit den 70er Jahren gebe es Beobachtungen, so Müller-Siecheneder, dass sich Menschen nach Schlafentzug – vor allem in der zweiten Nachthälfte - besser fühlen, wobei die Rückfallquote sehr hoch sei.

Bei Patienten, die gut auf Schlafentzug ansprachen, habe Schlafphasenvorverlagerung einen verstärkenden Effekt gebracht. Besonders viel hält der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg von einer erstmals 1938 in Genua praktizierten Methode: der Elektrokrampftherapie (EKT). Trotz der „in Deutschland zurückhaltenden Einstellung“ dieser Methode gegenüber, und trotz „hin und wieder auftretender, kurzfristiger Gedächtnis-Beeinträchtigungen“, so Müller-Siecheneder, sei die EKT „die effektivste Behandlungsform der Psychiatrie“ und werde am Klinikum Nürnberg regelmäßig angewandt. „Selbstverständlich in Vollnarkose“, versichert er.

Die Diplom-Psychologin und angehende Verhaltenstherapeutin Christine Däubler stellte das Spektrum der Psychotherapie vor, wovon lediglich die Verhaltens- und die tiefenpsychologische Therapie von den Kassen übernommen werden. „Individuelle Beratung bezüglich Therapieform und -platz bietet die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns“, so Däubler.

Wem das alles noch nicht genügte, der erfuhr während einer Podiumsdiskussion zur Frage „Was hilft gegen Depression?“ beispielsweise, dass neben positiven zwischenmenschlichen Beziehungen auch das Vertrauen auf Gott Suiziden entgegenwirken kann. „Die schützende Wirkung von Religion ist erwiesen, wird aber regelhaft unterschätzt“, so Dr. Dr. Günter Niklewski. Diplompsychologe Dr. Rupert Biebl von der psychiatrischen Tagesklinik am Klinikum Nürnberg, brachte die Eigenverantwortung der Patienten ein, die offen sein müssten für neue Wege und Sichtweisen.

Dieser Zustand sei aber gerade anfangs oft nicht ohne Medikamente erreichbar, darüber herrschte Einigkeit nach dem Grundsatz: „So viel Medikamente wie nötig, so wenig wie möglich!“

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