Choreos im Wohnzimmer: So gehen Tanzschulen mit dem Lockdown um

18.12.2020, 09:30 Uhr
Größere Tanzveranstaltungen, wie hier 2017 im Tanzstudio Schlegl, sind derzeit nicht möglich.

© Edgar Pfrogner Größere Tanzveranstaltungen, wie hier 2017 im Tanzstudio Schlegl, sind derzeit nicht möglich.

"Wir haben quasi Berufsverbot", bringt es Sven Walker von DanceMaxx am Kornmarkt auf den Punkt. Die Tanzkreise – acht bis neun Gruppen trafen sich vor dem Teil-Lockdown regelmäßig – sind komplett unterbrochen. Die Kurse pausieren. "Sie werden nach der Wiederöffnung weitergeführt“, so der Plan von Walker und seiner Geschäftspartnerin Nathalie Reiß. Ähnlich verfahren auch andere Schulen, darunter das Tanzstudio Schlegl mit Sitz am Königstorgraben.

Videoportal für Jedermann

Um zu ihren Tänzern weiter Kontakt zu halten, haben sich die Betreiber bereits im ersten Lockdown im Frühling auf Online-Angebote verlegt. Sonja Schlegl und ihr Bruder Martin haben Lehr-Filme für ein Videoportal produziert. "Das sind Sachen, die man zu zweit gut im Wohnzimmer üben kann", sagt die Tanzstudio-Leiterin.


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Das Angebot reiche von Line-Dance über HipHop bis zu Discofox und Rock’n’Roll und richte sich an alle Altersgruppen. Genutzt werden können die kleinen Choreografien und Tutorials von Jedermann: "Das Portal ist offen, jeder, der auf unsere Internetseite kommt, darf sich auch die Videos ansehen", so Sonja Schlegl.

Auch DanceMaxx bietet einen offenen "Adventskalender" über den Video-Kanal Youtube an. HipHop- und Streetdance-Lehreinheiten bekommen die Schüler live über die Video-Plattform Zoom nach Hause geliefert. Und für die tanzbeisterten Kindergartenkinder verschicken Walker und sein Team Videomaterial an die Eltern.

Gerade die Allerkleinsten würden größtenteils mit viel Spaß vor dem Bildschirm tanzen, berichtet der DanceMaxx-Gesellschafter von den Rückmeldungen. Auch Erwachsene nutzen die Videos zur Überbrückung. Problematischer sei es jedoch, pubertierende Jugendliche bei der Stange zu halten: Nur etwa 20 Prozent schalten nach einiger Zeit regelmäßig ein.

"Wunsch nach Bewegung und sozialen Kontakten ist da"

Vor allem für seine älteren Mitglieder sei die Schließung der Tanzschulen hart: "In unsere Tanzkreise kommen vor allem Leute zwischen 35 und 70 Jahren. Für viele ist es nicht nur das Tanzen, sondern auch eine Gelegenheit, soziale Kontakte zu pflegen und aus dem Alltag herauszukommen", berichtet Walker.

Die gleiche Erfahrung hat auch Sonja Schlegl gemacht: "Viele Ältere haben angerufen und sind sehr traurig, dass wir schließen mussten", berichtet sie.

"Der Wunsch nach Bewegung und sozialen Kontakten ist einfach da", sagt auch Chris Hage-Lopez von der Tanzschule Latin Groove in der Eberhardshofstraße. Viele seiner Tanzschüler leben alleine, arbeiten derzeit zuhause und leiden unter der Isolation. Nach dem ersten Lockdown stellten er und seine Tanz- und Geschäftspartnerin Noor Hena von offenen Tanzabenden mit vielen Partnerwechseln auf kleine Gruppen und feste Tanzpartner um. "Die Leute sind trotzdem gekommen. Sie wollten einfach tanzen und wenigstens ein wenig die Atmosphäre haben", so der Salsa- und Bachata-Experte.

Tanz- und Sportstudios seien nicht als Infektionstreiber bekannt geworden, alle hätten ein gutes Hygienekonzept gehabt, sagt er und kann die Schließung nicht nachvollziehen. Er befürchtet, dass sich die Menschen privat treffen. Aus seiner Sicht, wäre es sinnvoller, wenn sich die Tänzer im kontrollierten Umfeld einer Tanzschule zusammenkommen.

Finanziell wird es eng

Wirtschaftlich ist für alle drei Tanzschulen die Schließung schwierig. "Wir haben zwei Weltkriege überstanden und gut gewirtschaftet. Aber wir leben mit der Unsicherheit, wie lange die Schließung noch dauert und welche Hilfen wir bekommen", sagt Sonja Schlegl, die den 1903 gegründeten Betrieb in dritter Generation mit ihrem Bruder führt. Ihre Tanzlehrer mussten die Schlegls in Kurzarbeit schicken.

Mit der Produktion der Videoformate konnten Sven Walker und Nathalie Reiß immerhin den Großteil ihres Teams weiterbeschäftigen. Aber: "Wir zahlen derzeit jeden Monat drauf", so Walker. Unter anderem laufe die Miete für ihr Innenstadtstudio weiter. Sich selbst haben die beiden Gesellschafter niedrigere Auszahlungen verordnet.

Besonders hart trifft es Chris Hage-Lopez und Noor Hena von Latin Groove. Erst im September 2019 eröffnete das international gebuchte Tanzpaar sein Studio. Im März mussten sie wieder zumachen – und jetzt erneut. Trotz einer großen Welle der Hilfsbereitschaft sei es bereits im Frühjahr finanziell eng geworden: "Zwei Wochen länger hätten wir es nicht geschafft", so der 31-Jährige. Auch das zweite Standbein, Salsa-Workshops und Tanzshows in aller Welt, seien weggefallen. Sie verkaufen derzeit Gutscheine für ihr Studio. "Damit hilft man den Tanzschulen auf jeden Fall weiter", so Hage-Lopez.

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