«Da haben die Beine Spaß»

7.12.2008, 00:00 Uhr
«Da haben die Beine Spaß»

© Thomas Scherer

Der Neunjährige ist einer von fünf Jungs, die vom Ballett Forum Franken (BFF) in Fürth gefördert werden. Gemeinsam mit den Mädchen bekommen sie einmal die Woche kostenlose Ballettstunden. Trainiert wird im Fürther Ballettstudio Arabesque. Das BFF hat selbst keine Räume und wird von der Tanzschule unentgeltlich unterstützt.

Im Turnunterricht ihrer Schulen wurden die Jungs von BFF-Leiterin Julia Vitez und Ursula Babari, der zweiten Vorsitzenden des Vereins, für das Training ausgesucht. «Ich hab vorher gar nicht gedacht, dass ich das kann – Tanzen», erzählt Pascal. Judo, Schlagzeug und Fußball standen bisher auf seiner Freizeitliste – seit einem Jahr jetzt auch noch Ballett.

Fußball und Tanz

Schwieriger als seine anderen Hobbys findet er den Tanzunterricht nicht. «Nur das alles gleichzeitig zu machen, das ist manchmal nicht so einfach», erzählt er. Sein Kumpel Samuel nickt. Wie Pascal ist auch der Zehnjährige schon seit einem Jahr im Förderprogramm dabei. Und vom Ballettfieber angesteckt. «Ich find das total toll, dass man sich da so viel bewegt», sagt er und strahlt. Um die Stirn trägt er, wie Pascal, ein hippes Band, das das Klischee vom geschniegelten Balletteleven mühelos wegwischt. Jungs können Jungs bleiben und trotzdem gute Balletttänzer sein. Die Fußball und Tanzen mögen. «Hauptsache ist, dass die Beine Spaß haben», findet jedenfalls Christian, der erst vor Kurzem neu dazu gekommen ist. Auch er wurde im Sportunterricht von den aufmerksamen Augen von Vitez und Babari entdeckt. «Es gibt so viele Perlen an den Schulen, die nie auf die Idee gekommen wären zu tanzen, wenn wir sie nicht gefunden hätten», sagt Vitez.

Seit zwei Jahren schreibt sie Grundschulen an, mit der Bitte, im Sportunterricht zuschauen zu dürfen. Denn vielleicht blüht dort ja im Verborgenen ein ganz besonderes Tanztalent. Eines, das nur noch von einem erkennenden Auge entdeckt werden muss. «Wir achten auf Bewegung und Motorik», erklärt Babari, die jahrelang im Ballettensemble des Nürnberger Staatstheaters getanzt hat. Körperharmonie lasse sich auch beim Handballspiel oder am Reck erkennen. «Das sieht man!», ist sie überzeugt.

Jungs oft übersehen

Wer als tänzerisch begabt eingeschätzt wird, bekommt einen Brief an die Eltern mit nach Hause. Die können dann entscheiden, ob sie ihr Kind zu einem dreitägigen Tanzworkshop ins Ballettforum schicken. 30 Jungs waren es in diesem Jahr. Drei von ihnen – Christian, Daniel und Jonathan – haben es weiter geschafft und trainieren jetzt mit Pascal und Samuel. «Im Workshop sehen wir, ob der Biss auch da ist», erklärt Babari. Denn wer das Tanzen einmal zum Beruf machen will, der muss wirklich wollen. «Das ist das absolut Wichtigste», sagt Babari. «Begabung ist die Voraussetzung.»

Allerdings helfen auch Biss und Begabung nicht weiter, wenn die finanziellen Mittel fehlen. «Ballett ohne Geld geht nicht», weiß Vitez. «Da kann ein Kind noch so begabt sein.» Lange habe sie sich darüber geärgert und dann 1997 die Stiftung des Ballettforums gegründet.

Noch lange kann das Forum nicht so viele Kinder fördern, wie es gerne möchte. Sponsoren und Mitglieder werden deshalb dringend gesucht. Bei den Castings an den Schulen steht trotzdem das Talent an erster Stelle. «Ob arm oder reich ist dabei egal», betont Vitez. «Wir fördern alles, was begabt ist.» Oft geht es auch darum, die Eltern auf die Begabung ihres Kindes überhaupt erst aufmerksam zu machen. «Gerade bei Jungs denken da nur wenige an Ballett. Die Mädchen kommen dagegen meistens von selbst in die Ballettschule.» Deshalb konzentriert sich Vitez bei der Auswahl in erster Linie auf die Jungen. «Aber wenn wir ein begabtes Mädchen entdecken, fördern wir das natürlich genauso», betont sie. Im späteren Berufsleben ist es für Frauen allerdings viel schwerer als für ihre männlichen Kollegen. Während sich auf eine Stelle als Tänzer nur etwa zehn Männer bewerben, konkurrieren bei den Frauen rund 200 um eine Stelle. Begabt zu sein, reicht bei den Mädchen deshalb noch lange nicht. «Die müssen wirklich grandios sein», weiß Babari.

Ob Pascal und seine Mitstreiter das Zeug zum künftigen Stern am Balletthimmel haben, können sie zum Beispiel 2010 beim deutschlandweiten Talentwettbewerb des Ballettforums zeigen. Alle zwei Jahre wird «Der Goldene Schuh» im Fürther Stadttheater veranstaltet – in der Jury sitzen Vertreter namhafter Ballettschulen, die wie Vitez und Babari auf der Suche sind – nach Talenten, die den richtigen Biss haben. ANETTE RÖCKL

www.ballettforum-franken.de