Das denken die Nürnberger über die Kulturhauptstadt-Bewerbung

25.10.2020, 06:03 Uhr

Ja, bei unserer Straßenumfrage haben wir auch Menschen getroffen, die das Klischee vom missgelaunten Franken bestätigen. Was meinen Sie, wird Nürnberg Kulturhauptstadt Europas 2025? "Lieber net. Sonst gibt’s Drabbl und Remmidemmi", sagt da ein Mann auf dem Hauptmarkt. Und weg ist er. Sollte Nürnberg nächste Woche ausscheiden, mag es sein, dass er sich beschwert: "Ich hab’s doch gwussd, dass des nix wird."

Ortstypischer Pessimismus ist aber nur eine unbedeutende Nebendiagnose, die man stellen kann, wenn man Passanten in der Altstadt zu diesem Thema zu interviewen versucht. Die Hauptdiagnose lautet Ratlosigkeit. "Finde ich gut", sagen viele, "ich hab’ davon gehört, aber ich kenne mich da nicht aus." Ein Mann macht trotzdem kurzentschlossen mit. "Ich fände es toll, wenn Nürnberg sich bewirbt", sagt er. Als er erfährt, dass das schon längst der Fall ist und am 28. Oktober eine von fünf deutschen Städten den Zuschlag bekommt, entschuldigt er sich verlegen.

Es braucht viele Anläufe

Andere Gesprächspartner freuen sich allgemein über die Aussicht, "Weltkulturstadt" zu sein. Oder sie verwechseln den Titel mit dem Unesco-Weltkulturerbe. Es braucht viele Anläufe, bis die Stimmen beisammen sind. Begeisterung klingt anders.

70 Prozent der interviewten Nürnberger und Nürnbergerinnen wussten laut Wohnungs- und Haushaltserhebung 2019 Bescheid, dass sich die Stadt als Kulturhauptstadt Europas bewirbt. Wer da aber was nach welchen Kriterien entscheidet, was das bedeutet (und dass es eben nicht bedeutet, schon heute eine sehenswerte Stadt zu sein), geht auch dreieinhalb Jahre nach Eröffnung des Bewerbungsbüros sichtlich an der Öffentlichkeit vorüber.

Film-Crew setzt Nürnberg fürs Kulturhauptstadt-Finale in Szene

Das sei ganz normal, versicherte jüngst der erfahrene frühere Kulturhauptstadt-Juror Ulrich Fuchs im Interview mit den Nürnberger Nachrichtung und der Nürnberger Zeitung. Der Siegerstadt prophezeit er: "Ganz klar, das wird Freude auslösen. Aber dann wird es noch eine lange Wegstrecke." Es sei ein schwieriger Prozess, "eine ganze Stadt zu bewegen, über fünf Jahre gleichzeitig Spannung aufzubauen und Tempo bei den Projekten zu machen".

Kulturhauptstadt Europas: ein Städtewettbewerb mit hohem Abstraktionsniveau. Er setzt auf Bevölkerungsbeteiligung. Aber er hat, wie auch unsere Zufallsbefragung zeigt, ein Übersetzungsproblem zur Basis hin.

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