»Das Gleis« im Dokuzentrum bewegt Besucher

31.5.2010, 00:00 Uhr
»Das Gleis« im Dokuzentrum bewegt Besucher

© Stefan Hippel

Ein bedrückender Rundgang: In den kalten, hohen Hallen der Kongresshalle geht der Besucher an Fotografien vorbei, die den Abtransport von Juden in die Vernichtungslager zeigen. »Das Gleis« dokumentiert den Beitrag der Bahn zum nationalsozialistischen Terror.

Mit Neonlicht inszenierte Gleis-Installation

»Ich habe in der Schule wenig von der NS-Zeit mitbekommen, unsere Lehrerin hat das Thema unter den Teppich gekehrt«, sagt die Nürnbergerin Heidrun Kohler. Daher erarbeitet sie sich jetzt mit Büchern und auch im Dokuzentrum, was vor Jahrzehnten im Unterricht versäumt wurde. »Es war sehr informativ und auch beklemmend«, so ihr Fazit.

Ein Elternpaar aus Stuttgart steht mit seinen zwölf, 13 und 17 Jahre jungen Kindern vor der mit Neonlicht inszenierten Gleis-Installation, in dessen Gleisbett Kärtchen mit den Namen der ermordeten Opfer liegen: »Die Ausstellung macht einem deutlich, wie wichtig die Bahn für die Nationalsozialisten gewesen ist«, meint die Mutter, »das wird einem hier so richtig klar.«

Bahn war ein sehr effizientes Transportmittel

Führer Andreas Clemens hatte zuvor darauf hingewiesen, dass sich »so gut wie niemand« aus der 600.000- köpfigen Mitarbeiterschaft des Schienen-Unternehmens der Deportation der jüdischen Bevölkerung widersetzt hatte. Ein sehr effizientes Transportmittel sei die Bahn gewesen, bei dem Pünktlichkeit eine große Rolle gespielt hat. Auch die kläglichen Rechtfertigungsversuche von Bahn-Beschäftigten lässt der Politikwissenschaftler nicht unerwähnt: So hatte beispielsweise ein Mitarbeiter erklärt, dass er zwar Schießereien hinter seinem Rücken gehört, sich aber nicht umgedreht habe. Die Begründung: »Weil ich immer nach vorne schaue.«

Einige Räume sind erstmals im Rahmen der Sonderschau für die Öffentlichkeit zugänglich. Die kahlen Betondecken, die hohen Ziegelwände, die kühlen Temperaturen beeindrucken die Besucher: Brigitte Haffner, die aus Nürnberg stammt, jetzt aber in Karlsruhe lebt, findet, dass man die im doppelten Sinne kalte Atmosphäre noch intensiver nutzen sollte: »Man könnte hier Theaterstücke aus dem Konzentrationslager Theresienstadt aufführen oder Gedichte von Nelly Sachs vorlesen.«

»Es ist erschreckend, wie grausam Menschen sein können«

Ein Rentner verlässt deutlich bewegt die Kongresshalle: »Es ist erschreckend, wie grausam Menschen sein können und was sie einander antun.« Ihm geht außerdem das Zitat eines Opfers nach, das den dreitägigen Transport in einem Viehwaggon zum KZ Auschwitz beschreibt: »Wir haben nichts zu essen und nichts zu trinken bekommen und es war uns nicht erlaubt, unsere Notdurft anderswo als im Waggon zu verrichten. Der Waggon war verschlossen.«

Die Schrecken und den Horror, der an der »Endstation« auf die wehrlosen Opfer wartete, will sich der 69-Jährige gar nicht ausmalen.

Schulklassen und andere Gruppen können eigene Führungen beim Dokuzentrum buchen, Telefon: 0911/231-5666.