Das ,Wohnzimmer’ behaglich machen

23.1.2020, 19:02 Uhr
Das ,Wohnzimmer’ behaglich machen

© Foto: Eduard Weigert

Bis zu 600 Essensportionen pro Tag, dazu Kaffee, Tee und um die 350 Stück Kuchen: In den fünf Stunden zwischen 10.30 und 15.30 Uhr hat das Team von Ehrenamtlichen alle Hände voll zu tun. Zum fünften Mal findet die Vesperkirche in dem hohen, 1939 eingeweihten Backstein-Sakralbau heuer statt. Für 43 Tage am Stück. Um Menschen mit schmalem Geldbeutel für einen Euro ein gutes Mittagsmahl zu ermöglichen. Aber auch, um Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen, "die im Alltag nie miteinander reden würden" zusammenzubringen, sagt Pfarrer Reuther. Hier erfülle die Kirche ihre "genuine soziale Funktion". Denn für so machen der Besucher werde die Gustav-Adolf-Gedächtniskirche zu einem Wohnzimmer auf Zeit.

Bereitet wird dieses Wohnzimmer von derzeit gut zwei Dutzend Spendern und Sponsoren. Die Nürnberger "Miteinander-Stiftung" gehört dazu ebenso wie die Firma Schüttler-Gerüstbau oder der Telefonbuchverlag Müller. "Antenne Bayern hilft" und die "Bürgerstiftung Kerscher" tragen zur Vesperkirche bei wie auch der Flughafen Nürnberg, die B+A Spedition, Lauer-Immobilien und viele andere.

Das ,Wohnzimmer’ behaglich machen

© Archivfoto: Michael Matejka

Sie alle erfahren während eines kleinen Rundgangs, wie durchorganisiert die Vesperkirche ist, die genau genommen mit der Professionalität eines Unternehmens arbeitet. Über ein spezielles Internet-Programm tragen sich die in zwölf Abteilungen organisierten, gut 180 Ehrenamtlichen für die täglichen Arbeitsschichten (10 bis 14 oder 13.30 bis gegen 17 Uhr) ein. Am Anfang jeder Schicht steht eine Einweisung, denn selbst in der fünften Vesperkirchen-Woche stoßen noch Neulinge dazu, so Reuther. Für die Essensausgabe braucht es spezielle Hygiene-Schulungen; jenseits dessen kann prinzipiell Jede(r) das tun, was am meisten Spaß macht.

Rund die Hälfte der Freiwilligen steht in der letzten Phase des Erwerbslebens und hat die Arbeitszeit reduziert. Einige nehmen sogar Urlaub, um zu helfen. Und etwa 15 Prozent sind "hoch Engagierte", umschreibt Pfarrer Reuther die ungebrochene Begeisterung für das Projekt im Stadtteil Lichtenhof.

Die Idee entstand Mitte der 1990er Jahre in Baden-Württemberg. Heute engagieren sich mehr als 50 überwiegend evangelische Kirchengemeinden in Baden-Württemberg und Bayern, in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in solchen sozialen Projekten. Mit zwei thematischen Ausrichtungen: Bei den einen, wie Stuttgart oder Mannheim, "steht die Armenspeisung im Vordergrund", sagt Pfarrer Reuther. Bei den anderen ist es der Begegnungsraum – wie eben auch in Nürnberg.

Wie ungeheuer wichtig Teilhabe und Begegnung sind, zeigen auch die Konzertveranstaltungen zur Vesperkirche. Wenn am Ende Besucher drei, vier Euro geben und große Dankbarkeit für das Erlebnis zeigen – das, so Reuther, bewege die Ehrenamtlichen tief.

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