Der Glücksbringer

30.11.2019, 17:13 Uhr
Sie sind „Herr und Frau Aldea Laura“: Eberhard Nusch war mit seiner Frau Hannelore schon fünf Mal für den Hilfsverein in Guatemala. Die Armut dort erschüttert sie immer wieder.

© Michael Matejka, NNZ Sie sind „Herr und Frau Aldea Laura“: Eberhard Nusch war mit seiner Frau Hannelore schon fünf Mal für den Hilfsverein in Guatemala. Die Armut dort erschüttert sie immer wieder.

Die Laufschuhe vor der Tür dampfen noch in der Kälte, im Flur haben die Walking-Stöcke ihren Platz zwischen Regenschirmen wieder eingenommen. Eberhard Nusch ist heute schon laufen gewesen. Sein Alter ist dem sportlichen 77-Jährigen mit der modernen roten Brille nicht anzusehen. Nusch ist auf Achse, egal ob unter freiem Himmel oder in Schulen in Nürnberg, Lauf oder Ansbach.

Obwohl er seit 2006 kein Lehrer mehr ist, kehrt er jedes Jahr zurück, immer zu Schuljahresbeginn, um für eine Sache zu werben. Die hat ihm den Spitznamen „Herr Aldea Laura“ eingebracht. So heißt das Projekt, das seit bald 25 Jahren benachteiligten Kindern im kleinen Ort Chocruz im Hochland Guatemalas hilft. Kindern, die 1995 kein fließendes Wasser kennen, keinen Strom, keine geregelten Mahlzeiten – und keine Schule.

30 Euro für Maya-Kind

„Dafür, dass sie in diesem Elend leben“, sagt Eberhard Nusch deutlich und hebt den Finger, „können sie gar nichts.“ Seine Stimme wird lauter. „Und es ist nicht unser Verdienst, dass wir hier in Deutschland aufgewachsen sind. Es ist nur Glück.“ Mit genau diesen Worten richtet sich Nusch an die vielen Schüler, bei denen er jedes Jahr darum wirbt, das Elend in Chochruz ein wenig zu lindern. Mit dabei hat er ein rot umrandetes Stück Papier, darauf steht: „30 Euro reichen für einen Monat, damit ein Maya-Kind die Schule besuchen kann und täglich Frühstück und Mittagessen bekommt.“

Es sind nicht nur 30 Euro, die die Schüler jedes Jahr zusammenkratzen. Im vergangenen Jahr haben die Jungen, Mädchen und Jugendlichen – ohne Beteiligung der Lehrer – am Neuen Gymnasium, am Melanchthon- und am Willstätter-Gymnasiums in Nürnberg, am Parsberger Gymnasium, am Ansbacher Karolinum, an der Mittelschule in Lauf und an der Grundschule Georgensgmünd 20 000 Euro gespendet. Alle zusammen.

Spenden fließen ins Projekt

„Die Spenden fließen zu 100 Prozent in das Projekt“, betont Nusch. Das gilt für alle Patenschaften, die über das Projekt vermittelt werden, das mit vollem Namen „Zukunft für Kinder – Aldea Laura“ heißt. Diese Zukunft sieht inzwischen nicht mehr ganz so elend aus wie damals, als die Nürnbergerin Renate Hänsler den Verein gründet, um in Mittelamerika zu helfen. Schon 1995 entstand in dem Ort auf 2700 Metern Höhe der erste Unterrichtsraum: eine kleine Lehmhütte für zwölf Kinder.

Und heute? Werden in einem 2018 eröffneten Schulgebäude mit hellen Klassenräumen, verschiedenen Funktionsräumen und einem großen Speisesaal 300 Kinder unterrichtet, von der Vorschule bis zur neunten Klasse. 240 000 Euro hat das Schulgebäude gekostet, die durch die Spenden finanziert wurden, wie auch Schulmaterial, Lehrkräfte, Essen und mehr.

Eberhard Nusch und seine Frau Hannelore sind inzwischen fünf Mal in Guatemala gewesen und haben sich selbst angesehen, wie sehr die Kinder in Chocruz aufblühen, die Nusch als „fröhlich und herzlich“ beschreibt, auch die Lehrer „sind mit ganzem Herzen dabei, bezahlen manches nötige Schulmaterial sogar aus der eigenen Tasche“. Das zu sehen, treibt die Nuschs an.

Herr und Frau Aldea Laura

Sie haben immer geholfen und für Projekte für Kinder gespendet, in Afrika oder in Indien. Eberhard Nusch, eigentlich aus dem Allgäu und Pfarrer, dann aber fast 30 Jahre im Schuldienst, hat dafür früher schon Schüler eingespannt. „Wir haben Geld gesammelt, um Patenschaften zu übernehmen.“ Die Kinder seien mit Eifer dabei gewesen, haben ihren Patenkindern Briefe geschrieben, Fotos geschickt. Doch die Standardbriefe, die zurückkamen, seien ernüchternd gewesen, erinnert sich der Religionslehrer. Bis er 2001 auf Aldea Laura aufmerksam gemacht wird – und fortan für Kinder in Guatemala Paten findet.

Inzwischen sind es 170 Paten, die den Verein unterstützen. Viele zahlen 30 Euro im Monat, manche sogar 200 Euro. Alles fließt in die 100.000 Euro, die nötig sind, um den Schulaufenthalt der Kinder zu ermöglichen. Viele sonstigen Kosten, die im Verein anfallen, begleicht Aldea Laura durch die Beiträge seiner 180 Mitglieder. Der Vorstand nimmt nichts für seinen Einsatz, obwohl Eberhard Nusch quasi halbtags für sein Ehrenamt arbeitet. Seit dem Tod Renate Hänslers, „die so viel für den Verein getan hat“, als Erster Vorsitzender.
Deshalb ist er immer wieder in Chocruz, zuletzt im Februar. Auch dieses Mal hat ihn die Offenheit der Menschen begeistert, mehr denn je ist ihm aber die Armut dort bewusst geworden. Die Augen geöffnet hat ihm eine Bekannte, die dort ein halbes Jahr als Lehrerin geholfen und Englisch unterrichtet hat. „Ich halte die Armut manchmal nicht aus“, hat sie Nusch irgendwann mal geschrieben.

Familien leben in kargen Verhältnissen

Als Eberhard Nusch heuer aus Guatemala zurückkehrt, muss er seine Erlebnisse aufschreiben. Die Erkenntnis zum Beispiel, dass alle Familien, denen mit dem Projekt geholfen wird, „um Brot und ums Überleben kämpfen“. In einem Brief an die Mitglieder beschreibt er die dunklen, fensterlosen Küchen, die Wohnzimmer, die auch Schlafzimmer sind, die schlechten Arbeitsbedingungen, die unzuverlässige Wasserversorgung. Umso wichtiger ist Aldea Laura, umso größer die Freude, dass der Verein in Juan Pelicó einen Schulleiter hat, der sich, obwohl erst 37, schon seit fast 20 Jahren um alles kümmert. „Er ist ein großes Glück“, sagt Nusch.

Das sind auch Hannelore und Eberhard Nusch. Sie bringen als „Herr und Frau Aldea Laura“ (und als vieles mehr) etwas Glück in die Welt. Egal, ob für die Guatemala-Hilfe oder ein anderes freiwilliges Engagement, im Hospiz in Mögeldorf oder beim Bund Naturschutz, in dessen Ortsgruppe in Fischbach die zwei eingetreten sind, als sie 1984 umgezogen sind.
Hannelore Nusch berät schon seit Jahren Interessierte bei der Suche nach einem Ehrenamt. Die Nuschs wissen, wie viel ein solches Engagement gibt. „Wahnsinnig viel Anerkennung“ zum Beispiel, sagt Eberhard Nusch. Vor allem sind es aber die Menschen, „die den Horizont erweitern“. Und die ihn antreiben.

Info: Wer helfen will, meldet sich unter info@aldea-laura.de Spenden gehen an: Evangelische Bank eG, Nürnberg; IBAN DE84 5206 0410 0007 8190 21; BIC GENODEF1EK1

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