Der Hund wird zum Feier-Alibi

25.6.2012, 10:00 Uhr

Sie ahnen es schon: Ich muss einmal mehr als Frauchens Alibi herhalten. Plötzlich kann sie mich nicht mehr alleine lassen. O-Ton: „Monty kann nicht länger als eineinhalb Stunden alleine zu Hause sein. Sonst dreht sie durch!“ Oh ja, ich bin kurz davor. Kann meine Besitzerin nicht einfach dazu stehen, dass sie Fußball nicht interessiert? Doch dieses Bekenntnis ist wohl doch schwieriger abzulegen, als zunächst gedacht.

Das Problem beginnt schon an der Hausfassade: Alle Balkone sind beflaggt. Nur unserer nicht. Nun ja, von den Wäschestücken abgesehen, die dort seit Tagen zum Trocknen hängen (zu instabile Wetterlage). Wobei Frauchen immer penibel darauf achtet, dass die Unterwäsche ganz hinten hängt. Eine schwarz-rot-goldene Textilfolge ist dort jedenfalls nicht auszumachen.

Problem Nummer zwei: Das Auto. Frauchens Auto ist blau. Eigentlich sollte man meinen, damit wäre man aus dem nationalen Farbenspiel raus, da kann man nichts mehr reißen. Weit gefehlt: Wer in unserer Straße ohne Deutschlandfähnchen und Außenspiegelüberzieher parkt, fällt auf. Manche Wagen scheinen überhaupt nur noch von dem nationalen Textilgewebe zusammengehalten zu werden.

Problem Nummer drei: Wer zwei Stunden vor dem Spiel ohne Trikot-Shirt und Vuvuzela in der Stadt unterwegs ist, eckt an. Im wahrsten Sinne des Wortes: Scharen menschlichen, nationalen Bewusstseins ergießen sich auf die Plätze. Das Esperanto der EM-Zeit ist die Tröte. Kein Lärm, kein Stimmrecht.

Trotzdem... – und das klingt nach dieser Aufzählung vermutlich komisch: Ganz können auch wir uns der EM nicht verschließen. Das geht schon deshalb nicht, weil jedes grobe Foul, jede Karte und erst recht jedes Tor in der Nachbarschaft laut kommentiert wird.

Dann schaltet Frauchen schnell den Fernseher an, brummt „Och!“ oder ruft „Hach!“, und wir sehen die wichtigsten Szenen. Gegen dieses Informationsmodell kann jeder Live-Ticker abstinken. Und wenn die Deutschen ein Tor schießen, naja: Dann freuen wir uns auch.
 

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