Der Wegweiser

30.7.2019, 18:32 Uhr
Der Wegweiser

© Foto: Eduard Weigert

Auch der Personalleiter von Kaufmarkt in Nürnberg beäugt Peter Dinc kritisch – und schickt den jungen Mann mit dem türkischen Nachnamen nach München, wo er, reichlich überqualifiziert, für eher kleines Geld in der Textilabteilung anfängt.

Wenig später sitzt Dinc, inzwischen schon Abteilungsleiter in München, eben diesem Personalchef wieder gegenüber, diesmal verhandeln sie über einen leitenden Posten in Nürnberg. "Und diesmal habe ich gesagt, was ich verdienen möchte", erinnert sich Dinc und grinst.

Es ist das smarte Lächeln eines erfolgreichen Unternehmers, der viel, gerne und hart arbeitet – und sich von den Hürden, die sich ihm wegen seinen Migrationshintergrund stellen, nicht hat abbringen lassen. Heute nutzt er den guten Draht in die Türkei. Nach der Zeit als Marktleiter hat sich Dinc in der Logistikbranche selbstständig gemacht. Woher er kommt, das hat Peter Dinc aber nie vergessen. Also tritt er schnell dem Deutsch-Türkischen Unternehmerverein TIAD bei. Und kämpft zusammen mit Hasan Hazar, damals Vorsitzender des Unternehmervereins VDTU, vor 20 Jahren gegen ein Problem. "Es gab viele junge Ausländer, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, und immer mehr ausländische Unternehmer, die Arbeit für einen Azubi, aber keine Ausbildungsberechtigung hatten."

Ausbilden im Verbund

Die Lösung heißt: AAU. 1999 gründen die beiden Unternehmervereine den Ausbildungsring Ausländischer Unternehmer. Über den sollen junge Menschen, in Zusammenarbeit mit Firmen, eine Verbundausbildung erhalten. Das heißt: Inhalte, die die Unternehmen nicht vermitteln können, werden von Leitbetrieben mit Ausbilderschein gelehrt.

Oder beim AAU. "Wenn einer nicht die Möglichkeiten hatte, einen kaufmännischen Lehrling komplett auszubilden, sind wir eingesprungen, mit speziellen Schulungen zum Beispiel", sagt Dinc. Der AAU gibt den Azubis Förderunterricht, hilft bei Problemen, die in der Berufsschule auftauchen. Er hilft auch den ausländischen Unternehmern, die das deutsche duale Ausbildungssystem verstehen wollen. Dinc und Co. dienen als Wegweiser in der Arbeitswelt.

20 Mitglieder hat der Verein damals, auch Stadt, Arbeitsamt und die IHK Mittelfranken unterstützen das Projekt. "Aber das hat ganz schön Energie gekostet, wir mussten alle erst einmal davon überzeugen", sagt Peter Dinc heute. Er übernimmt den Vorsitz des Vereins — und behält ihn bis heute. "Ja, es ist schon ein bisschen eine Lebensaufgabe."

Eine, die viele Früchte trägt. Im ersten Jahr hat der Verein 50 Auszubildende unter seinen Fittichen, ein Jahr später sind es schon Hundert. Dinc und Hazar bringen immer mehr neue Unternehmen zum AAU, um die vielen Azubis mit Migrationshintergrund (aber auch ohne!) unterzukriegen. "Das war wie ein Hobby, damals war ich fast jeden Tag nach dem Geschäft noch beim Verein in der Ajtoschstraße", sagt Dinc.

Heute hat der AAU seine Räume im Klee-Center gegenüber dem Hummelsteiner Park. Ein- bis dreimal pro Woche schaut Dinc hier vorbei, "fast die gesamte Arbeit übernehmen aber die inzwischen zwanzig Mitarbeiter", lobt der Vereinsvorsitzende. Insbesondere AAU-Geschäftsleiter Rainer Aliochin, "der gefühlt zehn Sprachen spricht", lacht Dinc.

Schwierige Fälle in der Kleestraße

Inzwischen hat sich das Aufgabengebiet des Vereins mit heute 90 Mitgliedern erweitert, die Mitarbeiter beraten bei Existenzgründungen und organisieren Sprachkurse und begleiten Unternehmer, die einen Ausbildungsschein haben möchten. Der AAU sei schnell ein Selbstläufer gewesen, sagt Dinc. Zwar kümmert sich der Ausbildungsring auch heute noch um 100 Azubis, oft Russen oder Syrer, "aber es ist etwas komplizierter geworden", sagt Dinc. Der Arbeitsmarkt ist gesättigt, oft landen jetzt schwierigere Fälle in der Kleestraße.

Aber auch all denen gibt Peter Dinc eine Chance, "wenn sie richtig arbeiten wollen". So wie Dinc selbst, egal ob für sein Geschäft – oder ehrenamtlich für seinen Verein.

Bei der Aktion "EhrenWert" zeichnen die Stadt Nürnberg und die Universa-Versicherungen eine(n) Ehrenamtliche(n) des Monats aus. Vorschläge können aus dem gesamten Verbreitungsgebiet eingebracht werden. Infos: www.universa.de/ehrenwert

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