Diagnose Brustkrebs: Nicht allein mit der Krankheit

7.2.2021, 16:21 Uhr
Diagnose Brustkrebs: Nicht allein mit der Krankheit

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Frauen, die heute an Brustkrebs erkranken, haben zunehmend bessere Heilungsaussichten. Oft tritt der Krebs dann als chronische Erkrankung in den Hintergrund – Lebensfragen aber bleiben. Spezielle Selbsthilfegruppen können das auffangen, gerade weil es je nach Krebsart ganz eigene Themen zu klären gibt.

Manchmal nicht weniger als die gesamte Lebensplanung. Caroline Haase war erst 27 Jahre alt und steckte in der Endphase ihres Studiums, als sie ihre Brustkrebs-Diagnose bekam. In ihrer rechten Brust hatte sie etwas ertastet: die Vorstufe eines Karzinoms. Sie wurde operiert und bestrahlt. Eineinhalb Jahre darauf der nächste verdächtige Befund. Erneute OP. Und noch eine, weil ein Implantat zum Brustaufbau Probleme machte.

"Im Krankenhaus sah ich nie jüngere Patientinnen"

Erst einige Jahre nach dieser anstrengenden Zeit entschied sich die gebürtige Dresdnerin, die seit Kurzem in Nürnberg lebt, jetzt zum Austausch mit Gleichgesinnten. "Ich hatte mir zwar während meiner Behandlungen gewünscht, mehr an die Hand genommen zu werden", sagt sie im Rückblick, "aber ich habe mir damals nie eine Gruppe gesucht." Vielleicht auch aus Altersgründen. Im Krankenhaus erschien es ihr immer so, als wäre sie die einzige jüngere Patientin weit und breit. "Mir wurde gesagt, es würde noch viele andere junge Frauen geben, aber ich habe sie nie gesehen."

In Nürnberg rief Caroline Haase daher im vergangenen Herbst eine Selbsthilfegruppe für junge Frauen mit Brustkrebs ins Leben. Durch die Corona-Pandemie sind die Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt. Doch über das Selbsthilfegruppenzentrum Kiss habe sich immerhin schon eine Interessentin bei ihr gemeldet, erzählt die heute 33-Jährige. Allein schon diesen Austausch empfindet sie als Geschenk. "Es fühlt sich schön an, einander zuzuhören, Zuspruch zu geben und eine andere Perspektive auf das eigene Schicksal zu bekommen."


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Heute lebt die Betriebswirtschafts-Expertin wieder einen normalen Alltag. Gerade baut sie eine Einkaufsplattform für regionale Lebensmittel auf. Und trotzdem gebe es Erfahrungen, die nur Krebspatientinnen teilen könnten, erzählt sie. Die Fragen nach Kinderwunsch und Familiengründung beispielsweise. Oder das Problem mit der Unterwäsche. Viele Sanitätshäuser sprächen junge Frauen modisch nicht an, was BHs oder Bikinis mit Brustprothesen betreffe. "Und dann muss man auch noch zuzahlen, obwohl die Sachen nicht besonders schön aussehen." In solchen Momenten könne man sich sehr allein fühlen.

Andererseits sagt sich Caroline Haase auch: "Ich habe es geschafft, gesund zu werden, dann kann ich alles andere auch schaffen." Krebs in jungen Jahren habe zumindest den Vorteil, dass der Körper sich nach den oft harten Therapien leichter erhole. "Fast jeder Mensch muss im Lauf seines Lebens Tiefen erleben. Ich habe meine schon hinter mir."

Expertinnen für erblichen Brustkrebs

Auch Shimei Liu-Schumacher kennt die seelischen Herausforderungen der Krebskrankheit. Sie engagiert sich in der Selbsthilfegruppe "BRCA-Netzwerk" für Frauen mit erblichem Brustkrebs. "BRCA" steht für eine Gruppe von Genen, die so verändert – "mutiert" – sein können, dass sie die Entstehung von Brust- und Eierstockkrebs begünstigen.

Durch Vererbung in der Familie haben besonders die Trägerinnen von Genmutationen an BRCA1 und BRCA2 ein deutlich höheres Risiko, schon in jungen Jahren zu erkranken. Bis sie 80 Jahre alt werden, beträgt ihr Risiko für Brustkrebs 60 bis 80 Prozent, für Eierstockkarzinome bis zu 40 Prozent. Etwa fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebsfälle sind laut Deutschem Krebsforschungszentrum durch solche Mutationen verursacht. Eine familiäre Häufung an sich kommt bei bis zu 25 Prozent aller Patientinnen vor.


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Dass sie zu diesen Frauen zählt, erfuhr Shimei Liu-Schumacher erst mehr als zehn Jahre nach ihrem ersten Brustkrebs. Die Therapie hatte ihr damals, sie war Anfang 40, schwer zugesetzt. Aber in der Zwischenzeit galt sie als geheilt. Dann tauchte bei einer Nachsorgeuntersuchung 2017 wieder ein Tumor auf, diesmal in der anderen Brust. "Mir ist das Blut in den Adern gefroren", erinnert sie sich. "Ein Rückfall ist die schlimmste Nachricht, die Krebspatienten bekommen können."

Wieder Operation, Chemotherapie – und das Ergebnis eines Gentests: Ja, Liu-Schumacher trägt die BRCA2-Genveränderung. Sie hat die Variante von ihrem Vater geerbt. Im Rückblick lassen sich in seiner Familie einige Krebsfälle darauf zurückführen. Die schlanke Frau, die gesund lebt und nie ein besonderes Krebsrisiko zu haben schien, war plötzlich Hochrisikopatientin.

Diagnose Brustkrebs: Nicht allein mit der Krankheit

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Mentalen Halt fand die Nürnbergerin bei ihrer Familie, Freunden und Kollegen. Sie entdeckte Meditationsverfahren für sich und schrieb auf einer Internetseite ihre Behandlungsgeschichte auf – für ihr Umfeld und sich selbst. Und sie trat der Ortsgruppe des BRCA-Netzwerks bei und blieb dabei. Rund 20 Frauen treffen sich einmal monatlich, während der Corona-Krise nur online. "Herzlich und optimistisch" gehe es in diesem Kreis zu, findet Shimei Liu-Schumacher. "Wir jammern nicht, wir unterstützen einander." Man tausche Empfehlungen für Ärzte aus oder spreche über Erfahrungen mit Wiederherstellungs-Operationen. Das Netzwerk berät auch zu den weitreichenden Folgen eines Gentests.

Da der familiäre Brustkrebs überdurchschnittlich häufig junge Frauen betrifft, geht es oft um die Entscheidungsnot, ob vorsorglich das gesamte Brustgewebe und die Eierstöcke entnommen werden sollten, um Rückfälle zu verhindern. "Ich habe zum Glück schon ein Kind, ich stand in meinem Alter nicht mehr vor dieser Entscheidung", sagt Liu-Schumacher. "Ich fühle mich den Schicksalen dieser jungen Frauen aber sehr verbunden."

"Ich lebe im Hier und Jetzt"

Es gefällt ihr, wie man sich im Gesprächskreis Mut macht. "Krebs ist nicht gleich Tod. Es gibt ein lohnenswertes Leben nach der Krebsdiagnose." Und ja, auch mit einem entstellten Körper lasse sich Lebensfreude empfinden. Sie habe Akzeptanz gelernt. Viele Betroffene plagten Schuldgefühle, erzählt sie. Dabei gehörten auch böse Überraschungen zum Leben; Gesundheitsbewusstsein sei keine Garantie dafür, von Krebs verschont zu bleiben. Die promovierte Naturwissenschaftlerin, die bei einem großen Konzern arbeitet, sieht ihre genetische Veranlagung mittlerweile als Spielart der Natur, als Los, das sie nun mal gezogen hat. Wie die Prognose nach ihrem Rückfall statistisch aussieht, interessiert sie nicht mehr so. Aber wie sie ihre Tage gestaltet, liegt in ihrer Hand. "Ich lebe im Hier und Jetzt."

Die Selbsthilfegruppe "Junge Frauen mit Brustkrebs U40" ist erreichbar über die Kontakt- und Informationsstelle Kiss Nürnberg-Fürth-Erlangen unter 0911/234 94 49 oder per E-Mail unter nuernberg@kiss-mfr.de.

Der Gesprächskreis "BRCA-Netzwerk" (brca-netzwerk.de) ist erreichbar bei Sabine Weimert oder Monika Schauf per E-Mail an gk-nuernberg@brca-netzwerk.de oder telefonisch unter 0176/71 13 10 99. Weitere regionale Gruppen für Brustkrebs, Krebs allgemein oder Frauen mit Krebs sind auf kiss-mfr.de zu finden.

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