Die Ehrenrettung der Perlgraupe

31.3.2012, 00:00 Uhr
Die Ehrenrettung der Perlgraupe

© Mark Johnston

Rudi Feeß hält einen Brokkoli hoch. Der dicke Strunk, der so oft im Müll landet, sei ein gutes Beispiel, sagt der Gastronom mit der großen Liebe zu Frankreich. Er macht daraus etwas Schmackhaftes. Nächstes Beispiel: „Schon mal Parmesanrinde frittiert?“ Natürlich nicht. Der 52-Jährige grinst. Ein Fehler, die Rinde plustere sich auf wie ein Marshmallow und schmecke großartig.

Dass sein kleines Feinschmeckerlokal in St. Johannis in den Tagesthemen Furore gemacht hat, liegt an einem Spezialmenü mit dem aparten Titel „Taste the Waste“ (Koste den Müll). Auch wenn das auf den ersten Blick fast ein wenig unappetitlich klingt: Es hat nicht nur die Spätnachrichten aufgepeppt, es ist auch schon lange ausgebucht.

Den Abend Mitte April, benannt nach dem schockierenden Dokumentarfilm „Taste the Waste“ über den beschämenden Umgang mit Essbarem, hat der Verein Slow Food angeregt. Im „Le Virage“ (französisch: die Kurve) bei Rudi Feeß mussten die organisierten Kulinarier nicht erst lange bitten. Er kocht alle Tage so, dass kaum etwas in der Tonne landet.

Schweinefuß und Kalbsherz

Viele seiner Kollegen führen Buch über Weggeworfenes, weil das Steuern spart. „Bei mir lohnt sich das nicht“, sagt Feeß. Alles sei eine Frage der Organisation, sagt der bärtige Küchenchef, und habe eine unvermeidliche Konsequenz: „Jeden Tag unheimlich viel Arbeit.“

Aus Garnelenschalen kocht er leckeren Fond, der viel besser schmeckt als gekörnte Brühe aus der Fabrik. Aus Schweinefuß, Kalbsherz und anderen weithin verschmähten Teilen des Schlachtviehs schmort er Köstliches — und macht erstaunliche Beobachtungen. Zwei Drittel der Gäste, die Innereien bestellten, seien Männer. Der Koch: „Die sind bei mir immer ruck, zuck weg.“ Auch die guten Perlgraupen, die schwer unter ihrem Nachkriegsimage leiden, kommen bei Rudi Feeß als pikantes Risotto auf den Tisch. Aus hart gewordenem Weißbrot wird ein Amuse Gueule.

Während anderswo die Speisekarte dreistellig durchnummeriert ist und der Laden ohne Tiefkühltruhe zusperren müsste, bietet sein Restaurant täglich nur drei Vorspeisen, drei Hauptspeisen und drei Desserts an. Wenn etwas aus ist, sagt er das. Die meisten Leute akzeptierten das.

Die aktuelle Debatte über das missverständliche Mindesthaltbarkeitsdatum auf Lebensmitteln hält der Gastronom für überfällig. Wenn ein Apfel wegen einer winzigen Delle schon nicht mehr verkäuflich ist, dann sei wirklich etwas faul. Nach dem Tagesthemen-Beitrag hat ihm ein „Mülltaucher“ eine Mail geschickt und ihm verraten, wo es in Nürnberg gut zugängliche Supermarkt-Müllcontainer gibt, aus denen sich Verfallenes bergen ließe. So weit will Rudi Feeß dann doch nicht gehen.

Mehr Informationen über das Le Virage in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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