Die Holzschuher-Totentafeln in der Sebalduskirche

21.6.2012, 17:51 Uhr
Die Holzschuher-Totentafeln in der Sebalduskirche

© Eduard Weigert

Sie erzählen von gesellschaftlichen Ränkespielen und familiären Befindlichkeiten im Nürnberg des 17. bis 19. Jahrhunderts. Quelle ist das Holzschuher-Archiv im Stadtarchiv Nürnberg. Dort hat der Kunsthistoriker Helge Weingärtner jede Menge Stoff für seinen Vortrag in der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus (CPH) getankt.

Im Mittelalter war es in den patrizischen Familien in Nürnberg üblich, für jedes verstorbene namhafte Familienmitglied einen Totenschild anfertigen zu lassen. Im 17. Jahrhundert begann man, Totentafeln aufzustellen. Darauf wurden die Namen der Verstorbenen – nur die der Herren mit wichtiger Funktion und ausnahmsweise ihrer Ehefrauen – nacheinander verewigt. Angesichts der damals hohen Kindersterblichkeit hätten die Tafeln nicht ausgereicht, um auch noch den im Kindesalter verstorbenen Nachwuchs aufzulisten.

Ein Andenken im Zentrum der Nürnberger Macht

Die Holzschuher-Totentafeln in der Sebalduskirche

© Eduard Weigert

1688 beschlossen die Holzschuher, ihr Stammbuch fortzusetzen und ein Buch mit den Monumenten der Familie anzulegen. Anstatt der Totenschilde sollte nunmehr in der Sebalduskirche eine Totentafel aufgehängt werden. Warum, wo sie doch schon seit dem 16. Jahrhundert in ihrer Familiengrablege, der Holzschuherkapelle auf dem Johannisfriedhof, solche Tafeln hatte? „Weil auch die anderen Patrizierfamilien – Tucher, Löffelholz, Volckamer und andere – auch eine hatten“, sagt Weingärtner. Man wollte genau wie diese im damaligen Zentrum der Macht, in St. Sebald, verewigt sein. In St. Lorenz gibt es keine Totentafeln.

Mit den Holzschuher’schen Tafeln in der Sebalduskirche klappte es erst 1746. Da entdeckte der Stiftungspfleger Carl Sigmund Holzschuher, neben den Ebnerischen Totenschilden noch eine leere Seite – exakt gegenüber der Holzschuher’schen Empore, so dass die Familie während des Gottesdienstes hinüberblicken konnte. Schon 1743 war der „jüngere Preisler“ (wahrscheinlich Johann Justin) mit dem Entwurf betraut worden.

Er sollte die beiden letzten Artikel des Glaubensbekenntnisses, Auferstehung und ewiges Leben, plastisch in eine Bildersprache umsetzen. Eine harte Nuss, denn für die Auferstehung gab es zwar Allegorien, nicht aber für das Ewige Leben. Dazu musste Preisler ein neues Sinnbild in das damals für jedermann verständliche Zeichensystem einführen. Er entschied sich für die Figur einer liegenden Jungfrau mit sternenbesetztem Kleid und Palme in der Hand als Symbol des Sieges, der erst in der Ewigkeit vollkommen sein wird.

Ausgeführt und mit Rocaillen und palmähnlichen Gebilden aus Holz belebt hat den Entwurf ein „fremder Künstler“, der Bildhauer Johann Andreas Starcke. Die vergoldete Tafel hängt heute hoch über dem Weltgerichtsportal im Dunkeln, so dass sich ihre beeindruckende Schönheit kaum erahnen lässt.

Suchen muss man auch die hinter der Veranstaltungstribüne versteckte zweite Totentafel der Holzschuher. Sie war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts notwendig geworden. Mit dem Entwurf wurde der Architekt Carl Alexander Heideloff beauftragt. Damit wählte der Familiensenior, Rudolf Christof Veit von Holzschuher, den Weg des geringsten Widerstandes, denn ohne Heideloffs Begutachtung dürfe keine ‚Decoration’ in öffentlichen Gebäuden angebracht werden, heißt es in den Aufzeichnungen im Holzschuher-Archiv. Heideloff verlangte völlig unüblich für seinen Entwurf Geld – 33 Gulden. Preisler bekam für seinen viel anspruchsvolleren gerade mal einen Gulden Trinkgeld. Heideloff, ein Fan der Gotik, reihte, ganz anders als in der Gotik gebräuchlich, nur Rosette an Rosette. „Gefällt mir nicht, passt nicht zu der alten Tafel“, so der Tenor der Auftraggeber. Nichtsdestotrotz wurde der Entwurf so umgesetzt und zwar von dem Bildhauer Johann Rottermund. Die Patrizierfamilie hatte die alte Tafel gestiftet. Damit entging sie Heideloffs großer Entbarockisierungs-Aktion in den Nürnberger Kirchen. Sie wurde nicht abgehängt und den Eigentümern zurückgegeben, sondern ist in der Kirche verblieben, allerdings nicht an ihrem angestammten Platz, sondern an wenig prominenter Stelle.

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