Die Künstler sind mit den Erfindern verwandt

3.6.2008, 00:00 Uhr

Fridrich Popp: An mein erstes Fahrrad oder an meinen ersten Kuss kann ich mich besser erinnern. Als Gymnasiast fühlte ich mich sehr zu Kunst und Poesie hingezogen. Anfang der 70er Jahre habe ich eine Zeit lang mit dem Gedanken gespielt, bei Joseph Beuys zu studieren,. Ich stehe noch heute dem erweiterten Kunstbegriff von Beuys nahe.

NZ: Auch Genies haben Hunger: Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen?

Popp: Spanferkelrollbraten mit Bärlauchsoße, Kloß und Wirsinggemüse.

NZ: Wo fängt Kunst an und wo hört sie auf?

Popp: Bei mir fängt die Kunst schon in der Küche an, ich koche leidenschaftlich gerne. Wo die Kunst aufhört, weiß ich nicht, vielleicht bei der künstlerischen Umsetzung der Einsteinschen Relativitätstheorie?

NZ: Welche Techniken stehen Ihnen zu Gebote?

Popp: Am liebsten arbeite ich mit Metall und Schrott, daher baue ich gerne Assemblagen und Installationen. Dazu braucht man natürlich handwerkliche Kenntnisse wie Metall schneiden, bohren, sägen, schleifen, schweißen und so weiter

NZ: Welchen zeitgenössischen Nürnberger Künstler schätzen Sie besonders - und warum?

Popp: Da fallen mir spontan zwei Namen ein: Harri Schemm, der kunterbunte Hyper-Neoexpressionist, aber den kennt fast jeder. Und Heinz Ehemann, der in Nürnberg geboren und aufgewachsen ist und heute in Erlangen-Tennenlohe lebt. Der Maler und Autor Ehemann ist in seiner Heimatstadt - völlig zu unrecht - vergessen. Dabei hätte er mit seinen phantastischen und surrealistischen Bildern eine Sonderausstellung verdient.

NZ: Was ist der Sinn des Lebens?

Popp: Wenn jeder versuchen würde, einen kleinen Beitrag zu leisten, dass das Leben aller Menschen ein bisschen humaner würde, wäre schon viel erreicht. Respekt vor dem Leben heißt für mich auch, das Angenehme des Lebens und der Kultur in vollen Zügen zu genießen.

NZ: Wie wichtig ist Ihnen die so genannte Hochkultur wie Staatstheater, Opernhaus, klassische Konzerte?

Popp: Eine Stadt wie Nürnberg braucht ein breites Angebot unterschiedlicher kultureller Angebote. Für mich ist Literatur wichtig, zum Glück gibt es seit ein paar Jahren das Literaturhaus.

NZ: Wie hart ist der Konkurrenzkampf unter Künstlern in Nürnberg?

Popp: Nächste Frage bitte. Ich bin in keinem Künstlerverein Mitglied.

NZ: Hat man größere Chancen bei den Frauen, wenn man Künstler ist?

Popp: Wenn der Schein mehr wert ist als das Sein, vielleicht.

NZ: Wie wichtig ist die öffentliche Förderung der Künste?

Popp: Kunst braucht immer öffentliche Förderung. Über Jahrhunderte hinweg waren Staat und Kirche die einzigen Auftraggeber und Förderer der Künstler. Das ist heute natürlich ein bisschen anders, aber man darf die Kunstförderung nicht alleine dem privaten Geschmack einiger Sponsoren überlassen. Die Kunstförderung muss eine öffentliche Aufgabe bleiben.

NZ: Wozu braucht es eigentlich eine Kunstakademie?

Popp: Die Kunstakademie gehört zu Nürnberg wie der Club. Ob das die Kunstakademie auch so sieht, weiß ich allerdings nicht. Ich würde mir wünschen, dass die Akademie noch mehr ihren «Elfenbeinturm» am Tiergarten verlässt und stärker am Geschehen in der Stadt teilnimmt.

NZ: Beschreiben Sie ihr derzeit schlechtestes Werk - und Ihr bestes?

Popp: Wenn mir ein Werk überhaupt nicht gefällt, dann zerstöre ich es auch wieder oder ich verstecke es im Keller. Manchmal bin ich meinem Werk gegenüber sehr kritisch, da geht es mir ähnlich wie dem Metallbildhauer David Smith, der sich manchmal tagelang vor sein neues Werk hinsetzen musste, um sich an sein «Kind» zu gewöhnen. Und manchmal erlebe ich auch den absoluten «Flow» und denke dann: dieses Werk ist mir diesmal echt gelungen. Ein «Flow» ist ein selten vorkommender Glücksmoment.

NZ: Haben Sie jemals mit dem Gedanken gespielt, Nürnberg zu verlassen - und warum sind Sie immer noch hier?

Popp: Man kann in dieser herrlich provinziellen Metropole doch ganz gut leben.

NZ: Wo in Nürnberg finden die besten Ausstellungen statt?

Popp: Da muss man meines Erachtens in die Kunstgalerie Fürth gehen, ansonsten kann ich das Galeriehaus Nord und die Galerie Bernsteinzimmer empfehlen.

NZ: Wenn Sie noch mal von vorne anfingen - was würden Sie anders machen?

Popp: Vielleicht würde ich zuerst eine handwerkliche Grundausbildung machen und dann ein Studium Generale mit mindestens zwanzig Semestern, darunter einige im Ausland.

NZ: Wie haben Sie Ihren Eltern beigebracht, dass Sie Künstler sind?

Popp: Mein Vater war Schmiedemeister in einem Dorf im Steigerwald. Er hat mir, als ich schon Geisteswissenschaften studierte, einige handwerkliche Grundfertigkeiten beigebracht. Nachdem ich einem Werk von Jean Tinguely begegnet war, fing ich in der väterlichen Werkstatt an, aus dem vorhandenen Schrott Collagen und Masken zu schweißen. Mein Vater wollte mich überzeugen, meine kreativen Interessen in den Bau eines dekorativen Kerzenständers zu verlegen. Mit meinen Schrottobjekten konnte er überhaupt nichts anfangen. Aber er hat mein Wirken toleriert, und das war für einen traditionsverhafteten Dorfschmiedemeister schon viel. Meine Mutter wunderte sich, warum ich als Student bei Besuchen am Wochenende sofort nach der Ankunft in die Werkstatt zum Schmieden und Schweißen ging.

NZ: Wann nervt Kunst?

Popp: Oft, zum Beispiel, wenn Kunst «aufgesetzt» ist oder wirkt. Es gibt zu viele Leute, die sich nur mit Kunst schmücken. Und manche Menschen stehen der Kunst oder den Künstlern nahe, weil es schick ist.

NZ: Was ist Stil?

Popp: Für mich ist es schon wichtig, einen eigenen Stil zu haben. Die entscheidende Frage ist, ob ich daran arbeite, mit meinem Werk für die Kunst etwas Neues beizusteuern. Künstler sind mit den Erfindern verwandt. Mein bevorzugtes Material, das Eisen, fordert konstruktivistische harte Lösungen mit geraden Linien und rechtwinkligen Formen. Aber ich suche eigentlich organisch weiche Lösungen mit gebogenen, krummen Linien und runden Formen. Da muss ich manchmal heftig mit meinem Material kämpfen.

NZ: Lesen Sie Kritiken über Ihre Arbeit?

Popp: Natürlich, aber so viele sind das auch wieder nicht.

NZ: Wie heilig ist Ihnen die Kunst?

Popp: Kunst ist für mich ein Nahrungs-, Genuss- und Lebensmittel. Heilig und wichtig ist mir, dass die Menschen respektvoll und friedlich miteinander umgehen. Kunst kann und darf sich da zwar nicht einmischen. Aber wenn sich mehr Menschen als Kreative verstünden, so meine Utopie, wäre die Welt vielleicht ein bisschen weniger bedroht.

NZ: Wie finden Kinder Ihre Werke?

Popp: Als ich mein Werk «Kommunikation», das aus sieben Teilfiguren besteht, an der Pegnitzwiese am Westbad aufgebaut hatte, bemerkte ich bald, dass Kinder oft auf dem Werk herumturnten. Ich war glücklich, denn ich wollte tatsächlich ein Werk zum Anfassen und zum Draufsetzen bauen, das war mir also geglückt. Ich hatte dieses Werk entsprechend stabil und sicher gebaut, leider konnte es nur zwei Jahre stehen bleiben. Kinder haben einen ungezwungenen Umgang mit Kunst, sie sind viel natürlicher. Ich vermute, dass Kinder leichter Zugang zu meinem Werk finden als Erwachsene. Vielleicht liegt es daran, dass ich bei meinem Schaffen auf das Archaische, Naive und Kindliche in mir zurückgreife. Dazu stehe ich.

NZ: Haben Sie Angst vor dem Tod?

Popp: Im Augenblick nicht. Wenn es eines Tages soweit ist, werden auch mir die Knie zittern. Aber ich habe noch viel vor, ich glaube nicht, dass ich schon auf dem Höhepunkt meines Schaffens angekommen bin. Daher hoffe ich, 83 Jahre alt zu werden.

NZ: Was ist Schönheit?

Popp: Schönheit ist etwas sehr Subjektives. Und das ist auch gut so.

Fragen: Mückl & Zawodsky

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