Die legendäre Schlagrahmdampferflotte

24.10.2011, 18:21 Uhr
Die legendäre Schlagrahmdampferflotte

© Hermann Rusam

Schon vor dem ersten Weltkrieg blühte in dem Knoblauchsländer Dorf Kronach der Ausflugsverkehr. Nach dem Krieg kam der Kronacher Gastwirt Karl Memmert auf die Idee, Gäste von Doos aus mit einem Holz-Treidelschiff, das den Namen „Zille“ führte, nach Kronach zu bringen.

Die Zahl der Gäste wurde immer größer. Schließlich kaufte sein Schwiegersohn Peter Weigel 1925 von einer Regensburger Werft das erste motorgetriebene Passagierschiff, das 120 bis 150 Gäste fassen konnte. Es wurde auf den Namen „Karl“ getauft, erhielt im Volksmund aber bald den Spitznamen „Schlagrahmdampfer“, versäumten es die Gäste doch nicht, sich in der Kronacher Gastwirtschaft zum Kaffee und Kuchen, stets auch noch eine gehörige Portion Sahne mit auftischen zu lassen.

Bald kam ein weiteres Motorschiff dazu, das zu Ehren der Kronprinzessin von Bayern „Antonia“ getauft wurde. Es war von großem Vorteil, dass die „Antonia“ wegen der großen Schwierigkeiten beim Wenden im engen Kanal auch rückwärts fahren konnte. Der stattliche Preis von 19000 Reichsmark lohnte sich offensichtlich, da nach wie vor an schönen Sonntagen viele Hunderte, manchmal sogar Tausende von Fürthern und Nürnbergern den Gasthof Weigel, wie das Ausflugslokal nun hieß, besuchen wollten.

Für Kinder zehn Pfennige, für Erwachsene das Doppelte

Die Fahrt auf der 4,26 Kilometer langen Strecke zwischen der Schleuse 80 in Doos und der Schleuse 81 in Fürth war billig. Sie kostete für Kinder gerade einmal zehn Pfennige, für Erwachsene das Doppelte. Das konnte man aufbringen, war doch im Service der Schlagrahmdampferflotte immer auch ein Kännchen Kaffee im Preis mit inbegriffen.

Die Fahrt ging gemütlich dahin. Sie dauerte vierzig Minuten. Das war freilich schneller, als dass ein Fußgänger hätte Schritt halten können. Nach der Kanalordnung durften Motorschiffe nur mit einer Geschwindigkeit von bis zu acht Kilometer pro Stunde fahren, befürchtete man doch, die Wellen könnten der Uferböschung Schaden zufügen.

1927 kaufte Hans Weigel für nur 2000 Reichsmark ein kleineres Boot, das er vom Starnberger See nach Kronach überführen ließ. Er taufte es, in Erinnerung an seinen mit 17 Jahren im ersten Weltkrieg gefallenen Sohn „Hansi“. Dieses kleine, nur 60 Passagiere fassende Gefährt wurde bei vielen Sonntagsausflüglern zum Lieblingsboot erkoren. Die Rückfahrt war umsonst, wenn man beim Weigel in Kronach eingekehrt war.

Romantisch auch ohne Lorelei

Viele Jahre später, nämlich 1962 beschrieb Peter Luginsland im Rückblick die Schlagrahmdampferfahrten: „Und schon begannen sich die Schiffsschrauben zu drehen und unter dem Jubel der am Ufer Zurückbleibenden sowie der frohgestimmten Passagiere fuhr das Schiff gen Schniegling, überquerte in luftiger Höhe sogar die darob etwas beleidigte Pegnitz, passierte das Fußballzentrum Ronhof und legte nach etwa halbstündiger Fahrt am Kai von Kronach an.

Der Schlagrahmdampfer gehörte nämlich dem Kronacher Kaffeewirt, der auf diesem etwas ungewöhnlichen und höchst romantischen Wege seine Stammgäste zum Kaffeekränzla transportierte. Man fuhr an keinen stolzen Burgen vorbei und sah keine Lorelei, wohl aber gab es eine Menge Kinder, die das Schiff auf der Fahrt begleiteten.“

Das Ende der Schlagrahmdampferflotte kündigte sich bereits 1932 an, als erste Pläne für den Bau einer Autostraße auf der Trasse des Kanals aufkamen. Die Pläne verzögerten sich jedoch, und so konnte der Ausflugsverkehr bis Kriegsbeginn fortgeführt werden.

Der Fahrbetrieb musste allerdings wegen der Weltwirtschaftskrise stark eingeschränkt werden. Weil kein Brennstoff mehr zur Verfügung stand, erließen die Nationalsozialisten ein Verbot der als „nicht kriegswichtig“ eingestuften Fahrten. Am 1. September 1939 lief die Schlagrahmdampferflotte zum letzten Mal aus. Es war ein trauriger Abschied.

Verkauft und verschrottet

Die Boote wurden zunächst in Kronach „eingemottet“, hoffte man doch, nach dem Krieg den einst so erfolgreichen Ausflugsverkehr wieder aufnehmen zu können. Die Hoffnungen zerschlugen sich. Der Kanal wurde von Bomben getroffen und führte zwischen dem Nürnberger Hafen und Kronach kein Wasser mehr, das Kanalbecken verbuschte.

Die Familie Weigel versuchte nun, die Boote los zu werden. Noch im Kriegsjahr 1942 wurde die „Hansi“ verkauft, ausgeschlachtet und verschrottet. Die „Karl“ und die „Antonia“ veräußerte Weigel an ein Taucherunternehmen in Bremen. Weil der Kanal in Richtung Bamberg noch befahrbar war, liefen die letzten beiden Boote in Richtung Norden aus. Bei Elterdorf jedoch schlug die „Antonia“ leck und ging unter.

Am 15. Mai 1969 kam das endgültige Ende des Ludwigkanals an dieser bei den Ausflüglern so beliebten Strecke. Bulldozer und Lastwagen, Pressluftbohrer und Schaufelbagger, Asphaltierer und Betonierer rückten an, um den Frankenschnellweg anzulegen. Von der Romantik blieb nichts.

Die Autofahrer, die heute auf dem ehemaligen Kanalbett unterwegs sind, wissen meist nichts mehr von der ehemaligen Idylle. Geblieben ist allerdings der immer noch gut besuchte Gasthof Weigel mit seinem Biergarten unter alten Bäumen und allerhand Erinnerungsstücken an die Schlagrahmdampferflotte.

Mehr Informationen zum Gasthof Weigel in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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