«Die Opfer des Wahnsinns«

10.11.2008, 00:00 Uhr
«Die Opfer des Wahnsinns«

© Eduard Weigert

Bilder von Simon Loeb, Fritz Lorch und Paul Lebrecht zieren das Podest. Eingerahmt von zwei Plakaten. Auf dem linken tauchen die Namen der drei Männer auf. Darüber steht: «In der Nacht der Schande vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im Großdeutschen Reich 91 Personen ermordet, neun davon allein in Nürnberg.« Auf der anderen Seite eine weitere Namensliste: «Am gleichen Tag, am 10. 11. 1938, wurde vom Leichenbeschauer der Stadt Nürnberg der Selbstmord von zehn folgenden jüdischen Bürgern bekundet.« Darunter befindet sich der Name der Witwe von Max Süßheim, ein langjähriges Mitglied des Nürnberger Stadtrates.

Opfer der Reichspogromnacht

Aus Nachbarn wurden in jener Nacht Verfolgte und Verfolger. Die Hauptfrage laute immer noch «Warum nur?«, sagt Oberbürgermeister Ulrich Maly in die Stille, während sich unter den Zuhörern eine alte Dame die Tränen aus den Augen wischt. 70 Jahre nach der Pogromnacht sei die Israelitische Kultusgemeinde so groß wie nie zuvor. «Jüdische Leben hat - Gott sei Dank - wieder Wurzeln in unserer Stadt geschlagen«, fährt Maly fort und verspricht den Mitgliedern der Israelitischen Kultusgemeinde, «ich werde beim politischen Kampf ohne Wenn und Aber an eurer Seite stehen«.

Ihr Vorsitzender Arno Hamburger gehörte zu den Menschen, die jene Schreckensnacht in Nürnberg miterleben mussten. «Ich habe bewusst erlebt, wie Menschen ausgerastet sind, wie Zerstörungswut um sich gegriffen hat, wie man Geschäfte und Wohnungen zerstört, aber auch Leben ausgelöscht hat«, sagt er mit stockenden Worten. Dann zeigt er auf die beiden Plakate: «Das sind die Opfer des Wahnsinns.«

Stadt der Menschenrechte

Später appelliert Hamburger: «Wir müssen dafür sorgen und unseren Kindern den Willen einpflanzen, sich dafür einzusetzen, dass so etwas nie wieder geschehen kann.« Die Stadt der Rassengesetze und der Reichsparteitage habe sich gewandelt, sich der Vergangenheit gestellt und sie aufgearbeitet. Die Israelitische Kultusgemeinde werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass «unser geliebtes Nürnberg das bleibt, was es heute ist: die Stadt der Menschenrechte«.