Dieser Nürnberger Rentner entfernt Graffitis ehrenamtlich

25.7.2019, 21:27 Uhr
Dieser Nürnberger Rentner entfernt Graffitis ehrenamtlich

© Foto: privat

Walter Siebert hat eine Mission: Er schützt die Natur und sorgt für Sauberkeit. Einmal in der Woche radelt er in Richtung Kontumazgarten. Immer im Gepäck: Ein Ceranfeldschaber, Spiritus und ein Spezialspray. Mit dem Schaber entfernt er Aufkleber von Bänken, mit dem Spiritus geht es Graffitis an den Kragen. Funktioniert der umweltschonende Reiniger nicht, dann zückt Siebert sein Spezialspray gegen Graffiti. Mit Mundschutz und Muskelkraft hält er so den neu geschaffenen Tunnel am Kontumazgarten westlich der Stadtmauer sauber.

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Geld bekommt er dafür nicht. Und nein: Siebert wird auch nicht gezwungen. Warum er dennoch Arbeit und Kosten auf sich nimmt? "Ich bin eben ein Idealist", sagt er. Und wird dabei manchmal auch falsch verstanden. Neulich etwa, als er einmal wieder für einen Sprayer gehalten und angemault worden ist. "Ich bin kein Täter sondern ein Wohltäter, das hab ich den Leuten dann gesagt", sagt er. Einer, der die Hinterlassenschaften der Täter nicht nur wegputzt, sondern sie auch noch überführen kann. Schwer war es nicht, Siebert musste nur den Schmierereien in Richtung Westen folgen. "Da hat mir dann mein siebter Sinn geholfen", sagt er. Neben einer Holzbank lag die Spraydose in einem Mülleimer. "Ich hab sie ganz vorsichtig angefasst, eingepackt und der Polizei gebracht", erzählt er. Die darf jetzt Fingerabdrücke suchen, abgleichen und hoffentlich einen Täter oder eine Täterin schnappen.

Siebert ist überzeugt: Die Schmierereien, die immer wieder gekritzelt werden, müssen so schnell es geht weg. Denn: Wo einmal einer geschmiert hat, da malt ein nächster schnell daneben. Das Problem aber ist: Wer soll das machen? 15.000 Euro gibt der Servicebetrieb öffentlicher Raum (SÖR) jedes Jahr aus, um die Schmierereien zu beseitigen. Alles schaffen die Mitarbeiter mit diesem Budget aber nicht. "Brückendurchfahrten und Lärmschutzwände werden nur dann sofort gereinigt, wenn die Schmierereien antisemitische oder ausländerfeindliche Inhalte haben", sagt SÖR-Sprecherin Ulrike Goeken-Haidl. Das sei das Ergebnis eines Sparpaketes, das der Stadtrat so beschlossen habe. Aber natürlich versuche man auch andere Schriftzüge zu entfernen.

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Einem Anwohner in St. Johannis ist das nicht genug. Er hat bereits auf eigene Kosten einen riesigen Schriftzug von einer Uferwand zur Pegnitz entfernen lassen. Nicht etwa deshalb, weil es seine Wand ist. Auch das Gebäude darüber gehört ihm nicht. "Ich wollte es mir nicht dauernd ansehen müssen", sagt er über die Schmierereien, deren Umrisse man beim genauen Hinsehen noch immer leicht erkennen kann. An dem Haus darüber – die Fassade sieht recht neu aus – haben sich die "Künstler" übrigens auch schon verewigt.

Täter agieren im Schutz der Dunkelheit

Die Graffiti-Schmierereien haben im vergangenen Jahr zugenommen. 809-mal wurde der Polizei darüber berichtet. Im Jahr zuvor waren es noch 736 Fälle. Eine positive Nachricht gibt es aber auch: Die Aufklärungsquote ist gestiegen. Wurden im Jahr 2017 noch 12,4 Prozent der Fälle gelöst, waren es im vergangenen Jahr bereits 21 Prozent. So gingen der Polizei etwa zwei junge Männer ins Netz, die auch im und rund um den Kontumazgarten ihr Unwesen trieben. Rund drei Dutzend Schmierereien werden ihnen zur Last gelegt. Und dennoch: Die Ermittler tun sich schwer: "Die meist jungen Täter agieren im Schutz der Dunkelheit, sind schnell unterwegs und arbeiten äußerst konspirativ", sagt eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken. Außer ihren Schriftzügen hinterlassen sie meist auch keine Beweise, die Spraydosen nehmen sie wieder mit.

Auch die Polizei wird von den Sprayern häufig "bedacht". "Den Schriftzug ,ACAB‘ putze ich oft weg", sagt Siebert. Im Präsidium für ein paar Dosen Spezialspray gegen Sprühfarbe gesammelt haben die Beamten aber noch nicht. Und auch der Anwohner aus St. Johannis ärgert sich: "Muss man erst ein Hakenkreuz darüber schmieren, damit die Schmierereien entfernt werden?" Siebert wäre es am liebsten, es würde gar nicht erst an Wände geschmiert werden. "Man könnte Überwachungskameras montieren", sagt er über den Tunnel am Kontumazgarten. Es würde schon reichen, wenn es nur Attrappen wären. "Wenn man dann noch an beiden Seiten Schilder anbringt, die auf die Kamera hinweisen, dann würde das manch einen bestimmt abschrecken", sagt er.

Rückblick: Es ist noch nicht lange her, dass der Kontumazgarten eine Frischekur bekommen hat. Die Unterführung, die Siebert regelmäßig putzt, wurde erst Ende 2017 eröffnet. Schon kurz darauf waren die Wände komplett beschmiert. Gerade einmal zwei Nächte hat es gedauert, da war ein Schaden in Höhe von rund 5000 Euro entstanden. Schon damals stellte Bürgermeister Christian Vogel klar, dass man das Problem eben nicht mit Kameras lösen kann. Die dürfen nur aufgestellt werden, wenn von dem Ort eine Gefährdung ausgeht. Vogel damals: "Dies ist beim Beschmieren nicht der Fall."

Und so wird Siebert auch in Zukunft mit Spiritus, Schaber und Spray anrücken. "Alle schimpfen darüber", sagt er, "aber wenn man selbst etwas unternimmt, fällt einem auch kein Zacken aus der Krone."

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