Mensch der Woche

Dieser Nürnberger säubert fast jeden Tag den Mandela-Platz - ohne einen Cent dafür zu bekommen

11.7.2021, 10:51 Uhr
Siegfried Wagener dreht bereits um 7 Uhr morgens seine Runde, um den Nelson-Mandela-Platz vom liegengelassenen Müll zu befreien. 

© Eduard Weigert, NNZ Siegfried Wagener dreht bereits um 7 Uhr morgens seine Runde, um den Nelson-Mandela-Platz vom liegengelassenen Müll zu befreien. 

Der Regen stört ihn herzlich wenig. Graues T-Shirt, schwarze Hose - wichtig sind vor allem die orangefarbenen Handschuhe, mit denen Siegfried Wagener um Punkt sieben Uhr loslegt. Von Montag bis Samstag dreht der 62-Jährige jeden Morgen seine Runde um den neugestalteten Nelson-Mandela-Platz. Was andere dort achtlos wegwerfen und liegen lassen, hebt Wagener auf und entsorgt es in einem der zahlreich vorhandenen Mülleimer.

Auf seiner morgendlichen Runde erlebt der Nürnberger allerhand Überraschungen: "Sie finden hier alles. Das Skurrilste waren Elektrokabel und auch Kondome - wenn auch keine gebrauchten", sagt Wagener und lacht. Diesmal liegen unter anderem einige Kleiderbügel am Boden. Unangenehm seien vor allem die vielen Zigarettenkippen, Kronkorken von Bierflaschen und die kleinen Verschlussteile von Dosen, die überall im Gras zu finden seien. Dennoch versucht er auch kaputte Flaschen und Glassplitter zu entfernen, die vor allem spielenden Kindern gefährlich werden können.

Zwar rücken regelmäßig Reinigungskräfte des Servicebetriebs Öffentlicher Raum (Sör) an, um die gröberen Hinterlassenschaften zu beseitigen, "die kleineren Sachen lassen sie aber liegen", sagt Wagener und ergänzt: "Das mache dann ich." Vielen, so seine Erfahrung, sei es völlig egal, dass ihr Müll durch die Gegend fliegt. "Einmal haben Leute mit Pommes Helau gemacht", erinnert er sich. Nach Pfingsten hatte der Hartz-IV-Empfänger, der für sein ehrenamtliches Engagement keinen Cent erhält, gleich sechs Beutel komplett gefüllt - sein bisheriger (Negativ-)Rekord.


Leihräder: Neue Station am Nelson-Mandela-Platz


Seit über einem Dreiviertel Jahr ist Wagener bereits im Einsatz. Nur wenige nehmen davon Notiz. Doch in der Anfangszeit hat ihm jemand einen bunten Zettel hinterlassen: "Sie sind wundervoll in den Augen Gottes", stand darauf. Ein Satz, der den katholischen Kirchgänger unheimlich gefreut hat.

Grün statt Beton

Wagener gefällt die noch relativ junge Grünfläche hinter dem Nürnberger Hauptbahnhof. Er hat Fotos von Entwürfen mitgebracht, wie der einstige Parkplatz heute auch hätte aussehen können, und ist heilfroh, dass sich die Stadt am Ende für die grüne Variante entschieden hat. Die anderen Vorschläge erinnerten doch stark an die vielfach kritisierte Machart des Friedrich-Ebert-Platzes, der von Beton statt Grünflächen dominiert wird.

Was aber treibt Wagener an, wenn er doch weiß, dass es am nächsten Tag wieder fast genauso aussieht wie vorher? Angespornt hat ihn ein Artikel unseres Medienhauses über die Eröffnung des Platzes. Im dazugehörigen Kommentar äußerte die Autorin Befürchtungen, dass die ersten Graffiti, Hundehäufchen und kaputten Mülleimer wohl nicht lange auf sich warten lassen würden. "Es liegt an uns allen, genau hinzuschauen, um dieses Tor zur Südstadt saftig grün zu erhalten", lautete ihre Forderung, die Wagener prompt beherzigt und umgesetzt hat.

Selbst etwas tun

"Ich hab mir den Platz noch am selben Tag angeschaut und entschieden: Da muss etwas gemacht werden", sagt Wagener. Auf keinen Fall sollte es am Nelson-Mandela-Platz so aussehen wie im Südstadtpark, den er mitsamt dem Hundekot, weggeworfenem Plastik und Pizzaschachteln für ein mahnendes Beispiel hält. Auf andere zu warten, kam für ihn nicht infrage. Er ergriff lieber selbst die Initiative.

Wie lange er noch vorhat, den Nelson-Mandela-Platz sauber zu halten? "Das entscheide nicht ich", sagt Wagener. Solange er gesundheitlich fit ist, möchte er weitermachen. Klar ist: Um sieben Uhr morgens zieht er wieder seine Handschuhe an und klaubt den Müll zusammen.

Kennen Sie auch Nürnbergerinnen oder Nürnberger, die als "Mensch der Woche" von uns in einem kleinen Portrait vorgestellt werden sollten? Dann freuen wir uns über eine Mail mit dem Betreff "Mensch der Woche" an die Adresse lokales@pressenetz.de

6 Kommentare