Drohender Kollaps: Demo am Flughafen erinnert an Reisebranche

13.5.2020, 15:14 Uhr

In zwei Wochen, fürchtet Paul Willner-Kittler, "ist Feierabend". Wenn bis dahin nicht doch noch etwas geschieht. Dabei hofft der Inhaber eines Reisebüros in Hilpoltstein nicht etwa auf ein Wunder. Sondern darauf, dass "die Politik" auch ihm, wie allen kleinen und mittelständischen Reiseunternehmen, unter die Arme greift.

Einerseits finanziell, andererseits durch klare Perspektiven, wie und wann es mit Urlaubsreisen weitergehen soll, und vor allem schrittweise Grenzöffnungen. "Es kann nicht sein, dass der Branchenriese Tui Milliardenhilfen bekommt und man uns im Regen stehen lässt", macht auch Holger Crone vom Reise-Center Leikauf im Nürnberger Mercado seinem Unmut Luft.

Mit 50 Kolleginnen und Kollegen machte er heute Mittag bei einer Kundgebung vor dem Nürnberger Flughafengebäude auf die akute Existenzbedrohung aufmerksam. "Wir hätten auch noch viel mehr sein können, aber das war ja nicht zulässig", bedauert er.

Dafür versicherten Wirtschaftsreferent Michael Fraas und SPD-Fraktionschef Thorsten Brehm, die aus dem Rathaus gekommen waren, sich auf politischem Weg für die Belange der Reisebüros einzusetzen. Für den örtlichen Protest und weitere Aktionen haben sich rund 120 Büros aus dem Großraum zwischen Roth und Cadolzburg, Stein und Lauf zusammengefunden. Und wie in Nürnberg verliehen Mitarbeiter von Reisebüros auch in zahlreichen weiteren großen Städten ihren Forderungen Nachdruck.

Soforthilfe nicht mal Tropfen auf heißem Stein

Als spezielle Gruppe verlangten Bus-Reiseunternehmer wie auch die Nürnberger NRS-Gruppe rasche Unterstützung. Bundesweit gebe es rund 11.000 Reisebüros mit 100.000 Arbeitsplätzen, so die Veranstalter der Kundgebung, 1800 Büros seien bereits geschlossen. Allerdings machen drei Viertel der Reisebüros den Großteil ihres Umsatzes mit Reisen ins Ausland, vor allem mit Fernreisen. "Ziele in Deutschland buchen die wenigsten über uns", stellt Willner-Kittler nüchtern fest.

"Im Durchschnitt verliert jeder Inhaber durch die Krise rund 150.000 Euro", rechnet der Reisevermittler vor. Die 9000 Euro aus dem Soforthilfeprogramm der Bundesregierung seien da nicht mal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Dabei hat beispielsweise Leikauf bereits zwölf seiner 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu 100 Prozent in Kurzarbeit geschickt. "Ich habe nur noch eine Kollegin, mit der ich binnen weniger Tage 400 Reise-Erstattungen bearbeitet habe", so Crone.

Kurzarbeit sei nur der nackten Not geschuldet. "An sich hätten wir für alle genug zu tun. Zumal sich gerade auch treue Kunden schon wieder nach neuen Möglichkeiten umsehen." Mancher ließ sich bereitwillig auf spätere Termine umbuchen – aber all das koste wieder Zeit für Beratung und Bearbeitung. Und während die Fachkräfte noch mit Erstattungen beschäftigt sind, spüren sie schon den Druck der großen Veranstalter, die trotz aller Stornierungen womöglich gnadenlos Provisionen einfordern.

Das Problem: Nur selten greifen Versicherungsleistungen. Die Reiserücktrittspolice hilft "nur" beispielsweise bei Krankheit, der Sicherungsschein für Pauschalreisen nur bei einer Insolvenz. So sind viele der Reisebüro-Inhaber gerade auf namhafte Großveranstalter aktuell ganz schlecht zu sprechen. "Die sind jetzt telefonisch gar nicht mehr erreichbar. Sie verweisen die Kunden auf ihren Plattformen einfach nur an uns und ducken sich weg", sagt Waltraud Benaburger aus Nürnberg-Katzwang.

Reparaturen und Renovierungen

In der Zukunft werde und müsse es deshalb zu "Veränderungen in der Vertriebsstruktur" kommen, baut Crone vor. Vor allem in zwei Länder könnten Urlauber nach Einschätzung der Reisefachleute schon bald wieder starten: "Griechenland und die Türkei haben gute Hygienekonzepte, das ist vertretbar, sobald es auch wieder Flüge gibt", meinte der Vertreter eines im Flughafen ansässigen Büros.

Bei Spanien einschließlich der Balearen und Kanarischen Insel sei dagegen noch Skepsis angebracht, von anderen Ländern gar nicht zu reden. Nürnbergs Flughafenchef Michael Hupe hofft unterdessen darauf, dass WizzAir als erste Airline in Nürnberg den Liniendienst wieder aufnimmt, möglicherweise schon am kommenden Sonntag.

An den Abfertigungsschaltern und im Sicherheitsbereich seien alle Hygienevorkehrungen getroffen worden. Im übrigen habe der Flughafen die Zwangsruhe für zahlreiche Reparaturen und Renovierungsarbeiten genutzt. Aber rund die Hälfte der Angestellten wurden auch hier in Kurzarbeit geschickt.


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