Ein erfolgreiches Liebesspiel im Adlerhorst

21.5.2003, 00:00 Uhr
Ein erfolgreiches Liebesspiel im Adlerhorst

© Stefan Hippel

So selten der stolze Nürnberger Züchter den Knirps zu sehen bekommt, so selten ist es, dass ein Steinadler in Gefangenschaft aus dem Ei schlüpft. „Auf natürliche Art und Weise gezeugter Nachwuchs ist eine absolute Rarität“, sagt er. Der ehemalige Tierpfleger weiß, wovon er spricht. Bereits bei seiner Arbeit im Nürnberger Zoo hat er mit Greifvögeln seine Erfahrungen gesammelt. Seit 31 Jahren geht der passionierte Jäger und Falkner nun schon mit Steinadler-Dame Kalinka auf die Jagd.

Im vorzeitigen Ruhestand hat der 58-Jährige sein Hobby endgültig zur Passion gemacht — vor drei Jahren hat er sich zur Zucht ein Steinadlerpärchen zugelegt, das bereits vom Vorbesitzer in Gefangenschaft aufgezogen wurde. Im Garten des Hauses im Nürnberger Norden hat er eigens ein großes Gehege dafür gebaut.

„Der Herkunftsnachweis und eine Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde sind das A und O, um diese Tiere zu halten“, betont Kippes, Falknermeister des Deutschen Falkenordens.

Komplizierte Paarung

Deshalb gleicht der jetzige Zuchterfolg für ihn auch „beinahe einem Wunder“. Denn bei diesen Greifvögeln ist die Paarung ein besonders komplizierter Vorgang: Nach der Geschlechtsreife mit etwa drei Jahren leben Steinadler zwar in monogamen Beziehungen und sind sich ein Leben lang treu. Doch für das Männchen ist es bereits eine gefährliche Sache, die Dame seines Herzens von seinen Qualitäten zu überzeugen. Das größere Weibchen ist nicht gerade zimperlich, wenn sie einen unliebsamen Bewerber ablehnt. „Es ist wie beim Menschen, die Chemie muss einfach stimmen“, so Vogel-Experte Kippes.

Ist die erste Hürde genommen, macht es Mutter Natur dem Pärchen trotzdem nicht unbedingt leicht: Die Befruchtung des Eies muss erfolgen, bevor sich die Schale bildet. Das heißt: 54 Stunden vor der Ablage des Eies. Oft ein Glücksspiel, dem ein mehrmaliges Liebesspiel vorausgeht. „Selbst wenn ein Ei im Horst liegt, hat das noch lange nichts zu bedeuten“, sagt Kippes und deutet auf zwei bunt gescheckte Eier in einer Vitrine. Sie waren unbefruchtet. Drei Jahre hat er vergeblich auf den Nachwuchs warten müssen.

Doch dieses Mal war er sich sicher, dass es klappen könnte mit dem Nachwuchs. Zum Leidwesen manches Nachbarn waren die Balzrufe in der „heißen Phase“ ab Ende Januar bis März viel intensiver. Genauso wie das Liebesspiel. Nach der Eiablage der Adler lag der Vogelnarr 43 Tage lang auf der Lauer, hat jede Bewegung der Tiere beobachtet, bis der kleine grau-weiß gefiederte Kerl geschlüpft ist.

Ob es sich um ein weibliches oder ein männliches Tier handelt, weiß der „Papa“ noch nicht. Die unmittelbare Umgebung des Geheges ist für ihn im Moment tabu. Nur zur Fütterung muss er das Familienglück stören. Beim Fressen entpuppen sich die Könige der Lüfte als wahre Feinschmecker. Blutfrisches Reh- und Kaninchenfleisch oder Rinderherz stehen auf dem Speiseplan. Wie das Weibchen seinen Nachwuchs mit fingergroßen Fleischstückchen füttert, kann Werner Kippes aber nur durchs Fernglas miterleben.

Doch in zwei Wochen muss er sich das Steinadler-Junge zur Brust nehmen. Es bekommt einen Fussring angelegt, mit Herkunftsnachweis „und allem Pipapo“. Damit alles mit rechten Dingen zugeht. „Davor graut es mir, denn die Mutter verteidigt das Kleine sehr“, gesteht Kippes. Aber was sein muss, muss sein.