Ein Platz, der mehr verbindet als zwei Stadtteile

29.1.2020, 18:18 Uhr
Die Südflanke des heutigen Olof-Palme-Platzes im Nordosten der Stadt mit den Häusern Adamstraße 50 und 48 (ganz links), Adamstraße 45/Rennweg 72 (Bildmitte) und Rennweg 63 (ganz rechts), aufgenommen um 1910.

© Verlag Konrad Gerstacker (Leihgabe von privat) Die Südflanke des heutigen Olof-Palme-Platzes im Nordosten der Stadt mit den Häusern Adamstraße 50 und 48 (ganz links), Adamstraße 45/Rennweg 72 (Bildmitte) und Rennweg 63 (ganz rechts), aufgenommen um 1910.

Am 30. Januar dieses Jahres wäre Sven Olof Joachim Palme 93 Jahre alt geworden. Doch das Schicksal hatte andere Pläne mit dem schwedischen Ministerpräsidenten, der sich um die Abrüstung und die Völkerverständigung verdient gemacht hat: 1986 wurde er auf offener Straße ermordet.

Noch im Jahre seines Todes beschloss der Nürnberger Stadtrat auf Anregung der Friedensinitiative, den international beliebten Politiker zu ehren, indem er die Kreuzung der Bismarck-, Mathilden-, Adam- und Deumentenstraße mit dem Rennweg und der Straße Am Messehaus, direkt an der Grenze zwischen den Stadtteilen Rennweg und Schoppershof, auf seinen Namen umtaufte.

Die Südflanke des heutigen Olof-Palme-Platzes im Nordosten der Stadt mit den Häusern Adamstraße 50 und 48 (ganz links), Adamstraße 45/Rennweg 72 (Bildmitte) und Rennweg 63 (ganz rechts), aufgenommen 2016.

Die Südflanke des heutigen Olof-Palme-Platzes im Nordosten der Stadt mit den Häusern Adamstraße 50 und 48 (ganz links), Adamstraße 45/Rennweg 72 (Bildmitte) und Rennweg 63 (ganz rechts), aufgenommen 2016. © Boris Leuthold

Der öffentliche Aufschrei, der sich sonst bei der Umbenennung von Verkehrsflächen in Nürnberg regelmäßig einstellte, blieb aus: Da die angrenzenden Anwesen allesamt anderen Straßen zugeordnet sind, musste niemand seinen Briefkopf und seine Stammdaten beim Versandhaus seines Vertrauens ändern. Nur ein paar wenige mokierten sich, dass der Geehrte keine persönliche Verbindung zu Nürnberg hatte.

1965 war man da noch lokalpatriotischer (vor allem aber pragmatischer) vorgegangen und hatte der Fläche die Bezeichnung "Adamsplatz" verpasst – nach der querenden Adamstraße, die wiederum die Erinnerung an einen der bedeutendsten Industriebetriebe der früheren Gemeinde Rennweg, die Chemische Fabrik Johann Nikolaus Adam (Sulzbacher Straße 21/23), wachhält.

Entstanden ist die weite Straßenkreuzung schon viel früher, nämlich in reichsstädtischer Zeit. Obschon um die vorletzte Jahrhundertwende noch namenlos, verliehen ihr private Bauherrn und Architekten einen Rahmen, der sie städtebaulich zu einem Platz im besten Sinne des Wortes machte: 1903 fielen die Gerüste an dem von Michael Wießner entworfenen Eckhaus Adamstraße 45/Rennweg 72, das mit seinen malerischen Schweifgiebeln, dem Kastenerker und den seitlichen Erkertürmen die südliche Wand des Platzes sowie den von Weitem sichtbaren Fluchtpunkt der Bismarckstraße und der Straße Am Messehaus bildet.

Liebevoll restauriert und ergänzt erstrahlt die Einfriedung des Hauses Rennweg 72 heute wieder im Zustand der Jahrhundertwende.

Liebevoll restauriert und ergänzt erstrahlt die Einfriedung des Hauses Rennweg 72 heute wieder im Zustand der Jahrhundertwende. © Boris Leuthold

Das Doppelmietshaus hat sich weitgehend im originalen Zustand in unsere Zeit hinübergerettet. Im früheren Ladenlokal des Kolonialwarenhändlers Leonhard Geuder im Hausteil an der Adamstraße wirken heute die Kreativen des Grafikateliers.

Nebenan im Rennweg 72 haben der Eigentümer, seine Restauratoren und Handwerker mit jeder Menge Fingerspitzengefühl, Ausdauer und Liebe zum Detail die Schönheit des historischen Bauwerks in den letzten Jahren wieder hervorgeholt, haben Deckenfresken, Türen und Parkettböden restauriert und die kriegsbeschädigte Einfriedung in den Zustand der Jahrhundertwende zurückversetzt.

1906 erhielt Wießners Schöpfung auf der nördlichen Seite des Olof-Palme-Platzes, dem Bereich des früheren Schlüsselfelder’schen Gartens, ein würdiges Gegenstück in Gestalt der Anwesen Am Messehaus 2 und 4. Architekt Georg Richter schuf auch sie als Zwillingspaar mit verwandter Gestaltung im Jugendstil. Allein, die beim Luftangriff vom 21. Februar 1945 vernichtete Dachlandschaft der Nr. 2 wurde später in zeitgenössischen Formen neu interpretiert, jedoch mit Rücksicht auf den Bestand wieder mit Sandsteinplatten verkleidet.

Trotz Kriegsschäden eine Perle des Jugendstils: das Mietshauspaar Am Messehaus 2/4 (v. re.) an der Nordseite des Olof-Palme-Platzes.

Trotz Kriegsschäden eine Perle des Jugendstils: das Mietshauspaar Am Messehaus 2/4 (v. re.) an der Nordseite des Olof-Palme-Platzes. © Boris Leuthold

Dabei hatten die dortigen Hausbewohner noch Glück im Unglück: Die benachbarten Anwesen Bismarckstraße 2 und Adamstraße 48 fielen vollständig den Bomben anheim; das Jugendstilhaus Adamstraße 50/Mathildenstraße 41 verlor seine reichen Stuckdekorationen und ist heute nur mehr ein schwacher Abglanz seines früheren Selbst.

Die Nachkriegsjahrzehnte füllten die Lücken am Platz durch Neubauten auf. Auf dem Areal einer Autohandlung entstand am Rennweg 63 eine Wohnanlage mit Filiale der Stadtsparkasse. Die Mitte der Kreuzung ziert seit der letzten Neugestaltung eine kleine, baumbestandene Grünfläche, und selbst dem nervtötenden Durchgangsverkehr hat man mittlerweile durch ein paar Absperrungen Einhalt gebieten können.

So ist der Olof-Palme-Platz heute ein Platz, der verbindet – zwei Stadtteile, sechs Straßen, die Baukunst zweier Epochen und drei sehr unterschiedliche Arten, mit dem baukulturellen Erbe umzugehen – vom kühl kalkulierenden Pragmatismus über die zeitgenössische Neuinterpretation bis hin zur detailverliebten Restaurierung.

Allein, es wäre im Sinne der Anwohner und des Namenspatrons, wenn die Gestaltung des Platzes künftig dazu diente, auch die Menschen zu verbinden, anstatt ein unwürdiges Dasein als Wendeplatte und Abstellfläche für Autos zu fristen.

Liebe NZ-Leser, haben Sie auch noch alte Fotos von Ansichten aus der Region? Dann schicken Sie sie uns bitte zu. Wir machen ein aktuelles Foto und erzählen die Geschichte dazu. Per Post: Nürnberger Zeitung, Marienstraße 9, 90402 Nürnberg; per E-Mail: nz-leseraktion@pressenetz.de.

Noch mehr Artikel des Projekts "Nürnberg – Stadtbild im Wandel" finden Sie im Internet unter www.nuernberg-und-so.de/thema/stadtbild-im-wandel oder www.facebook.com/nuernberg.stadtbildimwandel.

Keine Kommentare