„Ein Schlag ins Gesicht“

7.9.2011, 07:59 Uhr
„Ein Schlag ins Gesicht“

© Horst Linke

Der Schriftsteller Godehard Schramm blickt von seinem Arbeitszimmer auf die Baustelle. Er erzählt: „Ich habe unterschiedliche Erfahrungen mit dem U-Bahnhof Kaulbachplatz gemacht. Am Anfang, als die Bürgerbefragungen stattfanden, dachte ich: Das wird ein fürchterliches Chaos. Mit Beginn der Bauarbeiten war ich angenehm überrascht, wie leise diese Maschinen gearbeitet haben. Es wurde in kleinen Schritten gebaut, so dass sich die Belästigungen der Anwohner in Grenzen hielten. Lediglich der bergmännische Vortrieb war laut, aber der dauerte nur wenige Tage. Eine andere Frage ist es, in dieser sehr schön gebauten Straße, in der jedes Haus ein individuelles Gesicht hat, so etwas reinzubauen. Das Ergebnis ist architektonisch sehr interessant, aber es hätte in ein Neubaugebiet gehört. An dieser Stelle ist es ein Schlag ins Gesicht der umstehenden Architektur. Das sperrige, protzige Ding ist für mich eine Art Straßenverunstaltung! Dem Friedrich-EbertPlatz ist es ähnlich ergangen. Ich frage mich hier: Wer hat anstelle der alten Piknik-Pide-Bude dieses Streifenhörnchen hingestellt? Noch kurz zur Linienführung: Im Nachhinein finde ich sie parallel zur Straßenbahnlinie9 etwas unglücklich. Besser wäre es gewesen, die U3 würde einen Bogen zur Uhlandschule machen und dann weiter zum Friedrich-Ebert-Platz führen. Es wäre schade, wenn die Neun verschwindet.“

„Ein Schlag ins Gesicht“

© Karlheinz Daut

Elisabeth Bruckner, Inhaberin des Grünen Ladens an der Kaulbachstraße, meint: „Es ist nicht schlecht, eine U-Bahnstation vor der Tür zu haben, auch wenn sich die Parkplatzsituation verschlechtert hat. Insgesamt passt das Ergebnis. Allerdings habe ich mich gewundert, dass alles so massiv ausfallen musste. Das hätte man schöner machen können. Und ich vermisse die Bäume, vor der U-Bahn war hier alles viel grüner.“ Die Stadt lässt im Herbst neue Bäume pflanzen (Anmerkung der Redaktion).

„Ein Schlag ins Gesicht“

© Karlheinz Daut

Die Stadtheimatpflegerin Claudia Maué wohnt nur wenige Meter von dem U-Bahnhof „Kaulbachplatz“ entfernt. Sie kritisiert: „Die Straße ist viel zu eng für diese überdimensionierten Bauten. Die Seitenwände aus Beton mit diesen komischen Käselöchern — das passt in kein Wohngebiet mit Jugendstilfassaden! Ich finde es schade, dass das Votum des Baukunstbeirates niedergebügelt wurde. Die Straße steht unter Ensembleschutz, da müssen die Eingriffe doch darauf abgestimmt werden, dass sie sich nicht negativ auf das Erscheinungsbild auswirken. Man hätte eng mit dem Denkmalschutz, dem Baukunstbeirat und dem Beirat Bildende Kunst zusammenarbeiten sollen — gleiches gilt für den ebenfalls missglückten Friedrich- Ebert-Platz. Die Aufgänge sind in der Nachbarschaft ein großes Thema: Viele finden sie hässlich, anderen gefallen sie, aber nicht an diesem Standort, wenige bezeichnen sie als pfiffig. Ich finde das Ergebnis traurig, man hätte mehr Rücksicht auf das Stadtbild nehmen müssen. Zum Schluss aber doch noch ein Lob: Die Bauzeit habe ich gnädiger erlebt als befürchtet. Das hat die Stadt gut hingekriegt.“

„Ein Schlag ins Gesicht“

© Karlheinz Daut

Julian Hacker ist vor zwei Jahren in jenes Haus gezogen, vor dem sich jetzt der Hauptzugang des U-Bahnhofs „Friedrich-Ebert-Platz“ erhebt. Der Nürnberger blickt von seinem Wohnzimmer direkt in den Treppenabgang. Sein Fazit: „Ein furchtbares Gelumpe! Wie kann man solch einen Betonklotz vor so einem schönen Haus hinbauen? Aber der Platz ist insgesamt misslungen: zu wenig Bäume, alles grau in grau und nur eckige Strukturen. Einfach lieblos. Während der Arbeiten hat mich keiner um meine Wohnung beneidet, aber der Lärm war nicht so das Problem. Jetzt ist die U-Bahn da. Ich werde sie sicher das ein oder andere Mal nutzen, aber gebraucht hätte ich sie nicht!“

Monika Müller arbeitet als kaufmännische Angestellte und wohnt mit ihrem Mann auf der anderen Seite des Platzes — seit fast 30 Jahren: „Die Bauzeit war eigentlich nicht so tragisch, aber die Parkplätze sind ein Problem. Auch verstehe ich nicht, warum man solch einen Klotz vor so einem tollen Haus bauen konnte. Ansonsten finde ich den Platz in Ordnung. Nur die Bäume fehlen. Und ich hoffe, dass sie uns die Linie9 lassen. Die Verbindung ist gut und gerade ältere Leute meiden die U-Bahn. Diese ist zwar schneller, aber Straßenbahnfahren hat eine ganz andere Qualität und ist gemütlicher.

„Ein Schlag ins Gesicht“

© Karlheinz Daut

Seit 1969 betreibt Volker Schiller ein Fotogeschäft an der Bucher Straße. Der Eingang ist eine einzige Baustelle, hier laufen gerade Pflasterarbeiten. „Es ist nach wie vor eine Katastrophe! Ich bin froh, wenn dieser Krach endlich aufhört, aber ich habe nicht den Eindruck, dass es vorangeht. Am schlimmsten sind die riesigen Überbauten der Eingänge. Wer hat denn das genehmigt? Man braucht doch nur nach Paris zu blicken, wie schlicht und elegant die U-Bahnstationen dort ausschauen. Wenn die Nürnberger so wären wie die Stuttgarter, würden sie diese Bunker abreißen. Meine Hoffnung ist, dass die Bäume im Laufe der Zeit dieses Verbrechen etwas kaschieren. Wie es mit meinem Geschäft weitergeht? Man hat mir prophezeit, dass nach den Jahren der finanziellen Verluste mit der U-Bahn die
Leute kommen. Ich habe keine Ahnung, wie es wird. Ich lasse mich überraschen.“

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