Ein verschwundener Hort der Gemütlichkeit

23.5.2019, 15:15 Uhr
Die Äußere Sulzbacher Straße mit der Gaststätte Wambach vor dem Ausbau der Fahrbahn im März 1937.

© Andreas Helldörfer (Sammlung Stefan Schwach) Die Äußere Sulzbacher Straße mit der Gaststätte Wambach vor dem Ausbau der Fahrbahn im März 1937.

Jetzt bricht sie wieder an, die Biergartenzeit! Aus diesem freudigen Anlass haben wir in unserem Bildarchiv gekramt und eine wahre Perle Nürnberger Gastlichkeit für Sie entdeckt.

Eines jedoch gleich vorweg: Sie brauchen sich gar nicht erst auf den Weg machen zum „Wambach“ in der Äußeren Sulzbacher Straße 175. Es sei denn, Sie sitzen gerne mit Ihrem Dosenbierchen auf einer Waschbetonmauer mit ungehindertem Blick auf die Hauptverkehrsstraße. Denn das Bisschen, was von der beliebten Gastwirtschaft und ihrem urigen Biergarten geblieben ist – ein Wiesenstreifen und ein paar hohe Laubbäume –, liegt heute auf eingezäuntem Privatgrund am Thumenberger Weg.

Als Andreas Helldörfer 1937 unsere beiden historischen Aufnahmen der Äußeren Sulzbacher Straße auf Höhe des Wambach schoss, war die kleine Biergartenwelt noch in Ordnung. Das hübsche Sandsteinhaus vorne an der Straße hatte Gastwirt Adam Wambach aus Mögeldorf 1872 errichten lassen.

Heute braucht man viel Fantasie, um die Örtlichkeit wiederzuerkennen. Ein Wohn- und Geschäftshaus hat das Wirtshaus und den vorderen Gartenteil ersetzt.

Heute braucht man viel Fantasie, um die Örtlichkeit wiederzuerkennen. Ein Wohn- und Geschäftshaus hat das Wirtshaus und den vorderen Gartenteil ersetzt. © Boris Leuthold

Wie seinerzeit üblich, werden ein örtlicher Maurer- und ein Zimmermeister – ihre Namen kennen wir nicht – die Pläne gezeichnet und den Bau ausgeführt haben. Der Fassadenschmuck im Stil des späten Klassizismus war dezent, passte aber zum damals noch dörflichen Charakter von St. Jobst, das 1899 zusammen mit Erlenstegen nach Nürnberg eingemeindet wurde.

Zu den Gästen des Etablissements zählten nicht nur die Dorfbewohner und die Bediensteten des 1875 eröffneten Nürnberger Ostbahnhofes, sondern auch Ausflügler aus der Innenstadt, die es vor lauter Durst nicht mehr bis in die Ausflugslokale in Erlenstegen und Behringersdorf geschafft hatten.

Warum auch? Trefflich entspannen ließ es sich auch hier: Im Biergarten, der bis zur heutigen Steuerwald-Landmann-Straße hinaufreichte, spendeten hohe, alte Laubbäume selbst in der größten Sommerhitze kühlenden Schatten für die ultimative Entspannung. Wem der Sinn nach Action stand, vergnügte sich in der hauseigenen Kegelbahn (Baujahr 1927) oder im Tanzsaal, den Wirt Johann Voit 1901 an das Gasthaus hatte anbauen lassen.

Doch die beiden Bilder zeigen bereits die Vorboten einer Entwicklung, die mit dafür verantwortlich ist, dass es die Gaststätte Wambach heute nicht mehr gibt: der Traum von der „autogerechten Stadt“.

Nach dem Ausbau der Fahrbahn im August 1937 fehlte dem Biergarten des Lokals ein Streifen – um mehr Platz für Autos zu schaffen.

Nach dem Ausbau der Fahrbahn im August 1937 fehlte dem Biergarten des Lokals ein Streifen – um mehr Platz für Autos zu schaffen. © Andreas Helldörfer (Sammlung Stefan Schwach)

Begnügte man sich beim Ausbau der Äußeren Sulzbacher Straße 1937 noch damit, dem Biergarten einen schmalen Streifen abzuknapsen und den Zaun ein paar Meter nach Norden zu versetzen, errang in der Nachkriegszeit des Deutschen heiligste Kuh, das Auto, endgültig die Oberhand.

Als 1970 der neue Eigentümer des Anwesens, der Notar Gerhard Knöchlein, den Gasthof abbrechen ließ, ergriff die Stadt die Chance beim Schopf und schob die Baulinie weiter nach Norden, so dass fortan auch hier der freie Bürger freie Fahrt hatte – zumindest bis zur Ölkrise 1973.

An der Adresse der Gaststätte Wambach findet man heute ein von Franz Pöhlmann entworfenes fünfstöckiges Wohn- und Geschäftshaus in der für die 1970er Jahre typischen kubischen und durch vorspringende Bauteile aufgelockerten Außengestaltung mit flachen Dächern und einem zurückspringenden Attikageschoss.

Wird also nix mit dem Bierchen beim Wambach. Wenn Sie aber in den kommenden Wochen und Monaten im Biergarten Ihres Herzens Gemütlichkeit und Gerstensaft genießen, seien Sie dankbar, dass die Heilsbotschaft von der „autogerechten Stadt“ und der Nachverdichtung sich beim dortigen Gastwirt nicht verfangen hat – oder zumindest noch nicht.
 

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