"Ein Viertel braucht eine Buchhandlung"

1.7.2015, 07:59 Uhr

© Foto: Roland Fengler

Frau Reif-Ruppert, immer mehr Leute kaufen im Internet ein, während einige Buchhandlungen dichtgemacht haben. Wie haben Sie es geschafft, 30 Jahre zu überleben?

Rosemarie Reif-Ruppert: Es sind natürlich auch bei uns viele Kunden ins Internet abgewandert, doch wir versuchen, die Leute anders zu erreichen, zum Beispiel durch das „Literarische Wohnzimmer“. Aber man kann auch bei uns Bücher auf der Homepage bestellen und bekommt sie genauso schnell wie bei Internet-Anbietern. Und E-Books haben wir ebenso.

Wie wichtig ist für Sie heute das Online-Bestellen?

Reif-Ruppert: Es ist einfach wichtig, dass unsere Kunden nachts um elf ein Buch bestellen können, wenn es jemandem einfällt. Diese Möglichkeit wird in Zukunft noch wichtiger werden, wenn noch mehr Läden zumachen und es sich dadurch immer weniger lohnt, einkaufen zu gehen. Andererseits wollen die Leute auch bei uns im Laden stöbern und mit uns reden.

Wie viel Prozent von den Kunden kaufen denn bei Ihnen online?

Reif-Ruppert: Das sind eher weniger. Bei uns schauen viele mal rein auf die Homepage und kommen dann in den Laden, um das Buch zu kaufen.

Sie sind eine arte-Buchhandlung. Wie kam es dazu?

Reif-Ruppert: Der deutsch-französische Kulturkanal hat vor etwa einem Jahr Partner gesucht, die Bücher aus dem arte-Programm-Magazin vorrätig haben, und ist auf uns zugekommen. Wir sind auch eine Partner-Buchhandlung von der Büchergilde Gutenberg, die viele ungewöhnliche Konzepte und hochwertige Bücher für Liebhaber bietet; wir sind die einzige in Nürnberg.

Auf Ihrer Homepage findet man auch eigene Buchtipps.

Reif-Ruppert: Wir schreiben die Texte selber, übernehmen keine Klappentexte und empfehlen nur das, was wir für gut halten. Im Frühjahr und Herbst weisen wir auf rund 30 „Perlen“ hin — für Erwachsenen- und Kinder-Literatur.

Wer kauft bei Ihnen im Laden? Nur Gostenhofer?

Reif-Ruppert: Nein, unsere Kunden kommen auch aus der Nordstadt und Schweinau, ja sogar aus Schwabach, Roth, Lauf und ein Stammkunde aus der Anfangszeit sogar aus Rothenburg.

Welche Bücher gehen in Gostenhof ganz speziell über den Ladentisch?

Reif-Ruppert: Zurzeit verkauft sich „Mamba Boy“ von Nadifa Mohamed sehr gut, auch Werke von Nahid Kermani, der den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Aber es sind auch abseitige Sachen jenseits der Bestsellerlisten gefragt, wie der Neuseeländer Carl Nixon und sein Roman „Lucky Newman“. Hier sieht man, dass Gostenhofer offen für andere Kulturen und Empfehlungen in diese Richtung sind.

Stadtteil-Buchhandlungen können sich vielfach recht gut halten. Was ist der Grund?

Reif-Ruppert: Die direkte Nachbarschaft wird geschätzt, das höre ich immer wieder. Die Leute wollen nicht in die Stadt reinfahren, sondern in ihrem Viertel kaufen. Einen Buchhändler möchte man ebenso vor Ort haben wie einen Blumenladen.

Wie kam es zu der Idee mit dem „Literarischen Wohnzimmer“ und dem damit verbundenen Bücher-Test bei Leuten?

Reif-Ruppert: Meine Mitarbeiterin Brigitte Eder hat das vor elf Jahren für die Unitas-Buchhandlung gemacht. Als diese geschlossen wurde, habe ich Frau Eder übernommen. Zuerst hat sie es als junge Mutter bei Elternabenden im Kindergarten gemacht. Daraus ist im Schneeballsystem immer mehr geworden — drei bis vier Besuche sind es derzeit pro Woche. In Schulen, Kindergärten und bei Privatpersonen, ab und zu auch mal bei Firmen, in Geschäften und Altenheimen.

Sie pflegen eine Baumscheibe vor der Ladentür, wohnten lange in Gostenhof und sind dort sehr verwurzelt. Wie hat sich der Stadtteil in den 30 Jahren verändert?

Reif-Ruppert: Als ich hier anfing, war es die Zeit der Stadtteilsanierung mit Hinterhofmalern und der Planungskneipe um die Ecke. Da gab es viel Bewegung, darauf folgte eine ruhigere Zeit, jetzt wird aber wieder viel gebaut, für mein Gefühl zu viel. Verändert haben sich die Migrantenströme. Heute wohnen hier mehr Bulgaren, Rumänen und Menschen aus ehemaligen Ostblockstaaten, früher waren Griechen und Türken dominanter. Die Mieten haben schon angezogen, aber Angst vor der Verdrängung von Alteingesessenen habe ich nicht. Wer nach Gostenhof zieht, muss mit dem Stadtteil schon etwas am Hut haben — da kommen keine schicken Leute her, eine gewisse Toleranz muss man schon mitbringen.

Sie haben seit drei Jahren vis-à-vis vom Laden ein Buchcafé, in dem sich jeden ersten Mittwoch im Monat der Leseclub GO:LIT für Jugendliche trifft. Wie sind die Erfahrungen?

Reif-Ruppert: Wir haben jetzt wieder angefangen — nach einer halbjährigen Pause, weil die Terminsuche so schwierig war. Mitarbeiterin Annette Bibel hat wieder zehn, zwölf Jugendliche gefunden. Sie können sich immer ein Exemplar zum Testlesen mitnehmen und haben vier Wochen Zeit, bis darüber gesprochen wird. Ansonsten wird hier viel rund ums Buch geredet — vom Cover bis zur Geschichte des Buchdrucks.

Vor über neun Jahren haben Sie den Verein „Gostenhof — mon amour“ mitgegründet, der Lesungen im Stadtteil an unterschiedlichen Orten durchführte. Um ihn ist es ruhiger geworden, jetzt folgt am 2. Juli eine Wiederbelebung. Warum?

Reif-Ruppert: Das ist auf jeden Fall eine Herzenssache. Leider hatten 2014 ein paar Sachen nicht geklappt, was zu einer einjährigen Pause geführt hatte. Es ist immer sehr viel Aufwand, doch zwei bis drei Lesungen pro Jahr wären schon schön.

Bei Ihnen gibt es neben Büchern auch Weine, Geschenkideen oder süße Spezialitäten. Gehört das heute zum Gesamtkonzept einer Buchhandlung?

Reif-Ruppert: Wir wählen kulinarische Dinge aus, die gut zum Buch passen. Den Kirschprosecco aus Kalchreuth oder besondere Pralinen zum Verschenken. Ich bin immer auf der Suche nach besonderen Dingen, aber das ist nicht so einfach.

Wie sehen Sie die Zukunft von Buch und Buchhandel?

Reif-Ruppert: Ich glaube, dass sich die Nutzung mischt — manche lesen das gedruckte Buch und am E-Reader, manche nur das eine oder das andere. Ich bin jedenfalls optimistisch, dass es den Buchhandel noch lange gibt. Er ist doch was anderes, mal ein Schwätzchen zu halten und persönlichen Kontakt zu haben, als alles am Computer zu erledigen.

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