Eine „Revolution“ im Ringen

19.1.2005, 00:00 Uhr
Eine „Revolution“ im Ringen

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Der Umsturz kündigte sich kurz vor Weihnachten an. Rund 300 Aktive, Trainer und Unparteiische bevölkerten die Halle der Ringer der SV Johannis 07, als Kampfrichter-Obmann Manfred Werner das neue Regelwerk des Deutschen-Ringer-Bundes (DRB) in blumigen Worten erklärte. Ein Procedere, das fast drei Stunden andauerte, denn die vom Weltverband FILA herausgebenen und vom DRB übernommenen Richtlinien kommen fast einer Revolution im Ringen gleich.

Die NZ-Redaktion hat für ihre Leser die gravierendsten Änderungen, die ab sofort greifen, zusammengefasst. Schneller, attraktiver, zuschauerfreundlicher und spannender soll das Ringen künftig werden.

Stichwort Kampf am Mattenrand: Tritt ein Ringer über die Kampfzone hinaus, etwa um den Angriff des Kontrahenten abzuwehren, gibt das fortan einen Strafpunkt. Der aktivere Ringer soll damit belohnt und der Kampf in die Mitte der Matte verlagert werden, so dass es weniger Unterbrechungen gibt. Wird eine Beinschraube oder ein Durchdreher angesetzt, steht dabei aber ein Bein des Angreifers im Aus, gibt es sofort einen Einser für den Gegner, egal ob der Griff gelingt oder nicht. „Die Kämpfer sollen erzogen werden, nicht nach außen zu ziehen“, erklärt Fred Pscherer, Stützpunkttrainer in Nürnberg und langjähriger Aktiver und Trainer der SV Johannis 07.

Änderungen bringen mehr Aktionen auf der Matte

Für den 45-Jährigen ist das „der richtige Weg“. Auf den ersten Meisterschaften im neuen Jahr habe sich bereits gezeigt, meinte Pscherer, dass es durch diese Regeländerungen zu mehr Aktionen auf der Matte kommt. „Von der Kampfeinstellung ist das ein gravierender Eingriff ins Ringergeschehen. Ich stehe dem aber positiv gegenüber“, so Pscherer zuversichtlich.

Stichwort Kampfzeit: Künftig stehen die Aktiven bei Mannschaftskämpfen maximal fünf Runden à zwei Minuten auf der Matte. Zehn statt bislang sechs Minuten gilt es also durchzustehen. Da wird die konditionelle Arbeit noch mehr gefragt sein als bisher. Wer drei Runden für sich entscheidet, hat automatisch gewonnen.

Es gibt aber, wie schon immer, die Möglichkeit auf ein vorzeitiges Ende. Schultert ein Ringer seinen Kontrahenten, ist wie bisher der Kampf sofort beendet. Ebenso nach technischer Überlegenheit, die ebenso mit vier Mannschaftspunkten belohnt wird. So wird eine Runde künftig auch frühzeitig abgepfiffen, wenn einem Ringer zwei Dreierwertungen oder ein Fünfer gelingt. Egal ist dabei, ob der andere Ringer bereits mit kleineren Wertungen gepunktet hat.

„Das kann natürlich auch mal ganz unglücklich laufen“, sagt Pscherer und nennt dafür ein etwas kurios anmutendes Beispiel: „Ein Ringer liegt nach Punkten 7:3 in Führung. Seinem Kontrahenten gelingt mit einem Kopfzug der zweite Dreier; der wird aber sofort gekontert und auf die Schulter geworfen. Dann zählt der Schultersieg aber nicht, weil dem anderen seine zweite Dreierwertung gelungen ist.“

Nach der neuen Rundenregelung darf sich ein Ringer, der in Führung liegt, natürlich nicht darauf ausruhen, sondern muss weiter attackieren. Eine gewonnene Runde zählt zwar für das Mannschaftsergebnis (z. B. 3:1 oder 3:2), entscheidet aber nicht über den Kampfausgang. Standen bis dato nach vier 1:0-Punktsiegen acht Wertungspunkte für die Mannschaft A und null für die Mannschaft B zu Buche, könnte es fortan 12:8 stehen, weil der Verlierer die gewonnen Runden gutgeschrieben bekommt. „Du kannst, wenn du nur knapp verlierst, noch was für die Mannschaft tun“, sagt Pscherer, der die Kämpfe damit „länger offen“ sieht.

Stichwort Verletzungszeit: Die bleibt bei zwei Minuten maximal, muss künftig allerdings genauestens vom Kampfrichter beobachtet werden. Der Vorschlag der FILA, nur bei blutenden Wunden Verletzungszeit zu gewähren, ist wohl in der Praxis kaum umzusetzen. Doch den üblichen „Kunstpausen“ soll trotzdem ein Riegel vorgeschoben werden. Künftig wird der Kampfrichter den seiner Ansicht nach simulierenden Ringer ermahnen, aufzustehen und zu ringen. Folgt der Aktive dieser Aufforderung nicht, gibt es sofort einen Strafpunkt. „Ringen wird dadurch noch kampfbetonter, schneller und attraktiver“, glaubt Pscherer.

Stichwort Bodenlage: Die angeordnete Bodenlage, wenn ein Ringer zu passiv ist, gibt es künftig nicht mehr. Gerät ein Ringer ins Aus, befindet sich also nicht mehr in der Kampfzone, wird der Kampf im Stand fortgesetzt.

Stichwort Zwiegriff im Freistil: Den angeordneten Zwiegriff zwischen zwei Ringern gab es bisher nur im griechisch-römischen Stil, wurde nun aber auch im freien Stil etabliert. Diese Regelung greift aber nur, wenn es bei einem Kampf nach der ersten Runde 0:0 steht und ein Sieger ermittelt werden muss. „Das wird es aber nicht oft geben“, glaubt Pscherer.

Bei allen guten Absichten, die der DRB mit diesen Änderungen bezweckt, blieb der „Königssturz“ aber aus. Auf der Bundesligatagung am letzten Wochenende in Darmstadt wollten sich die Vertreter der ersten und zweiten Ligen auf eine Selbstbeschränkung in Sachen Ausländeranteil einigen. Allein, es blieb bei dem Versuch.

Die Südvertreter der Zweiten Liga wären wie die Johanniser mit ihrer Talentschmiede für eine Beschränkung gewesen. Weil aber Baienfurt, das für das zurückgezogene Team aus Neckargartach ins Unterhaus nachrückt, sein Veto einlegte, konnte die für den deutschen Nachwuchs wichtigste Änderung nicht beschlossen werden. „Bei allen Vernünftigen gibt es immer einen Ausreißer. Aber der geht dann meistens ein Jahr später baden“, meinte der Johanniser Abteilungsleiter Udo Schmitt.

„Förderlich ist das nicht für deutsche Ringer“, ärgerte sich Pscherer, der aber nach wie vor an seinem großen Traum festhält. Einmal mit der eigenen Jugend in die Erste Liga aufsteigen.

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