Volksschule Muggenhof

Emotionales Wiedersehen beim Klassentreffen nach 70 Jahren

7.9.2021, 18:02 Uhr
Klassentreffen nach 70 Jahren: Organisiert haben es  Elfriede Heißwolf (mit Schultüten) und Dorothea Huber (gelber Blazer hinten).

© Michael Matejka, NNZ Klassentreffen nach 70 Jahren: Organisiert haben es  Elfriede Heißwolf (mit Schultüten) und Dorothea Huber (gelber Blazer hinten).

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Schultag und was sich damals in Ihrer Schultüte Platz fand? Am Dienstag, den 4. September 1951, also vor 70 Jahren, wurden Elfriede Heißwolf (76) und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler in der Volksschule Muggenhof eingeschult. Auf den Tag sieben Jahrzehnte später trafen sich Heißwolf und die 13 weiteren damals Eingeschulten erneut zu einem Klassentreffen. Was damals in ihren Schultüten lag, das wissen sie noch immer: „Obst, Strümpfe und Naschereien wie Schokolade“, erinnert sich die Organisatorin Heißwolf zurück.

Nachkriegszeit von Mangel geprägt

Standesgemäßer Treffpunkt des Zusammenkommens war vor dem Schulgebäude in der Fürther Straße 354, kurz vor der Stadtgrenze. Zwei der ursprünglichen drei Gebäude stehen nach wie vor. Die beiden zweigeschossigen Sichtziegelbauten sind mittlerweile jedoch nur noch als Baudenkmal erhalten und nicht mehr zugänglich. Dort, wo früher das Sportgelände war, auf dem Weitsprung geübt und Völkerball gespielt wurde, befindet sich heute der Parkplatz eines angrenzenden Möbelhauses.

Emotionales Wiedersehen beim Klassentreffen nach 70 Jahren

© privat, Huber

Die Einschulung der Kinder aus den Geburtsjahrgängen 1944 und 1945 fiel mitten in die Nachkriegszeit. Die Nürnberger Altstadt zählte zu den während des Zweiten Weltkrieges am stärksten zerstörten Städten Deutschlands. Zum Kriegsende lagen rund 90 Prozent der Innenstadt in Schutt und Asche. Viele der Kinder wuchsen zur damaligen Zeit ohne Väter auf. Die Männer waren oft im Krieg gefallen oder kehrten nicht mehr nach Hause zurück. Die Nachkriegszeit und damit die Schuljahre der Kinder waren vor allem von Mangel geprägt. „Man hatte fast gar nichts, das Essen war immer knapp. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, so was schweißt untereinander unheimlich zusammen“, betont Heißwolf.

Emotionales Wiedersehen beim Klassentreffen nach 70 Jahren

© Michael Matejka, NNZ

Ein Zusammenhalt, den auch Dorothea, Spitzname „Dorle“ Huber als einzigartig empfindet. Die heute 75-Jährige hat die Treffen in der Vergangenheit gemeinsam mit ihrer Jugendfreundin Elfriede ins Leben gerufen. Die Freundschaft der beiden hält bis heute an: „Wir könnten Geschwister sein“, lacht „Dorle“. Heutzutage sei vieles schnelllebiger geworden. Freundschaften würden durch Austauschbarkeit an Bedeutung verlieren, gibt Huber zu bedenken. Sie hofft, dass dennoch auch zukünftige Generationen den Wert langwieriger Klassentreffen erkennen und den Kontakt aufrechterhalten.

Mädchen und Buben waren zur damaligen Zeit zumindest während der ersten Schuljahre noch in unterschiedlichen Klassen untergebracht. Erst ab der sechsten Jahrgangsstufe kamen sie schließlich gemeinsam in einem Unterrichtsraum zusammen. Aus zwei Klassen mit jeweils 30 Schülerinnen und Schülern wurde dadurch eine 60-köpfige Klasse. Schreiben und Rechnen lernte man damals noch mithilfe von Schiefertafeln. Ein Großteil der Kinder der Muggenhofer Volksschule kam aus den umliegenden Gebieten, wie beispielsweise Leyh oder Höfen. Anders als die Nürnberger Innenstadt waren diese damals noch ländlicheren Bereiche von der Zerstörungsgewalt weitgehend verschont geblieben.

Anfangs auch Lehrer dabei

Über die Jahrzehnte traf sich die Gruppe immer wieder. Etwa sieben Treffen habe es gegeben, meint Dorothea Huber. Das Erste fand 1982 statt. Damals war es nur die Mädchenklasse, die zusammenkam. Ein paar Jahre später folgten 1988 schließlich auch die männlichen Mitschüler dem Ruf des Treffens. Anfangs kamen auch die früheren Lehrerinnen und Lehrer dazu. „Auch die fanden das immer sehr schön“, betont Huber. Während der ersten Treffen hatten sie selbst auch noch regelmäßig Sketche aufgeführt, erzählt Organisatorin Heißwolf lachend. Über die Jahre kamen jedoch immer weniger der ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler, viele sind mittlerweile leider verstorben. Zu ihren Ehren halten die Verbliebenen bei jedem Treffen eine kurze Gedenkminute ab.

Die Kontaktdaten der ehemaligen Schulkameraden führt Heißwolf seit den ersten Treffen feinsäuberlich in einer Liste. Das Zusammentragen habe einige Zeit gedauert. Abfragen bei Ämtern wären bei der Personenanzahl sehr teuer gewesen. Über einen befreundeten Polizeibeamten sei man schließlich an die Kontaktdaten gelangt, erklärt Heißwolf. Aus heutiger Perspektive unvorstellbar.

"Verschollene" Mitschüler bitte melden!

Diesmal verschickte sie rund 30 Einladungen per Post. Als kleines Geschenk für die Anwesenden gab es vorab noch kleine selbst gebastelte Schultüten. Darin ganz im Stile der damaligen Zeit: Kreide, Radiergummi und eine kleine Süßigkeit.

Übrigens: Zum 80. Jubiläum wollen sie sich wieder treffen. Auch „verschollene“ Mitschülerinnen und Mitschüler, die bislang nicht auf die postalischen Nachrichten von Elfriede Heißwolf reagiert haben, seien herzlichst eingeladen.

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