Sachse hatte auch Verbindungen nach Nürnberg

Entscheidung in Karlsruhe gefallen: NSU-Unterstützer bleibt auf freiem Fuß

15.12.2021, 12:54 Uhr
Im Jahr 2013 saß André E. als Mitangeklagter von Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München. Hier blättert er in einem Gesetzbuch. 

© Peter Kneffel, dpa Im Jahr 2013 saß André E. als Mitangeklagter von Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München. Hier blättert er in einem Gesetzbuch. 

Der engste Vertraute des NSU-Kerntrios um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bleibt auf freiem Fuß. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat gestern das Urteil des Oberlandesgerichts München für den gebürtigen Sachsen André E. von zweieinhalb Jahren Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bestätigt.

Der BGH verwarf damit die Revision von E.s Verteidigung, die Freispruch gefordert hatte. Aber auch die Bundesanwaltschaft, die ursprünglich auf zwölf Jahre Haft für den heute 42-Jährigen plädiert hatte, hatte Rechtsmittel eingelegt, weil ihr das verhängte Strafmaß deutlich zu niedrig gewesen ist.

Außerdem hielten die Bundesanwälte die Argumentation des Oberlandesgerichts München, nach der E. erst spät von den Mord- und Anschlagsplänen des NSU-Kerntrios erfahren haben will, für nicht glaubhaft. E. gilt als der engste Vertraute der drei Untergetauchten und hatte regelmäßig Kontakt zu ihnen.

Der Dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe mit den Richtern Carsten Paul (l-r), Jürgen Schäfer (Vorsitz) und Johannes Berg nehmen im Gerichtssaal ihre Plätz ein, ehe sie die Entscheidung im Fall André E. verkünden.

Der Dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe mit den Richtern Carsten Paul (l-r), Jürgen Schäfer (Vorsitz) und Johannes Berg nehmen im Gerichtssaal ihre Plätz ein, ehe sie die Entscheidung im Fall André E. verkünden. © Uli Deck, dpa

Der Generalbundesanwalt hatte E. zeitweilig als viertes Mitglied des NSU gesehen und eine Verurteilung wegen Beihilfe zum versuchten Mord, zu gefährlicher Körperverletzung, zum Raub und zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gefordert.

Auf seinem Computer entdeckten die Ermittler genau die gleichen Bilddateien, wie sie auch im "Paulchen-Panther-Film" des NSU zu sehen sind, dem Bekenner-Video der Terroristen. In dem abscheulichen Film führt die Zeichentrickfigur Paulchen Panther den Zuschauer von einem Mord zum anderen. Beate Zschäpe hatte nach dem Selbstmord von Böhnhardt und Mundlos solche DVDs an Medien und Organisationen bundesweit verschickt. Ein Exemplar wurde bei den Nürnberger Nachrichten persönlich abgegeben, vom wem, ist bis heute unbekannt.

E. gilt als Neonazi mit "Haut und Haaren", wie sein Verteidiger sagte. Sein Körper ist über und über mit rechtsextremistischen Bildern tätowiert. Auf seinem Bauch steht in großen Buchstaben "Die Jew Die" (Stirb Jude Stirb).

Die Münchner Richter sprachen André E. von den meisten Vorwürfen frei und verurteilten ihn schließlich, weil er Böhnhardt und Zschäpe Bahncards mit ihren Bildern, aber ausgestellt auf seinen Namen und den seiner Frau, beschafft hatte. Auch Wohnmobile hatte E. angemietet, die die Rechtsterroristen bei Raubüberfällen und einem Sprengstoffanschlag benutzt haben sollen.

Weil E. die milde Strafe bereits in der langen Untersuchungshaft abgesessen hatte, kam er mit dem Urteilsspruch in München frei. Die anwesenden Neonazis im Gerichtssaal spendeten zum Entsetzen der Opferfamilien stehend Applaus. Anschließend stieg er in das Auto von Susanne G. aus Leinburg. Die rechtsradikale Heilpraktikerin hatte seit Jahren Verbindungen zu ihm unterhalten.

Vor einem knappen halben Jahr wurde Susanne G. zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie Anschläge auf Kommunalpolitiker und Migranten geplant haben soll. Ihr Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das gemeinsame Rechercheteam von Nürnberger Nachrichten und Bayerischem Rundfunk hat jetzt aufgedeckt, dass auf dem Computer von André E. auch Ausschnitte von Nürnberger Stadtplänen gefunden wurden, die jedoch nicht die Tatorte zeigen, an denen der NSU drei der insgesamt zehn Morde in den Jahren 2000 bis 2007 verübt hatte.

Auch werfen E.s Finanzgeschäfte in Nürnberg Fragen auf. Warum wählte er im Jahr 2007 eine Nürnberger Bank aus, um hier einen Kredit zu erhalten?

Diese Fragen werden vermutlich nicht mehr beantwortet werden. Denn mit seiner Entscheidung hat der BGH nun erst einmal die juristische Aufarbeitung im Fall E. beendet. Damit sei auch das gesamte Urteil im NSU-Prozess, einschließlich der lebenslangen Haftstrafe für Beate Zschäpe, rechtskräftig, sagte der Vorsitzende Richter am BGH, Jürgen Schäfer.

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