Nürnberg will 2022 feiern

Erinnerung an 50 Jahre Eingemeindung: Widerstand im Dorf

11.10.2021, 12:02 Uhr
Ein Dörfchen in der Stadt: "Brunn - Stadt Nürnberg" steht auf dem Ortsschild. Mit der kommunalen Gebietsreform in Bayern verloren einige angrenzende Siedlungen ihre Unabhängigkeit gegen das Versprechen, städtisch zu werden.

© Eduard Weigert Ein Dörfchen in der Stadt: "Brunn - Stadt Nürnberg" steht auf dem Ortsschild. Mit der kommunalen Gebietsreform in Bayern verloren einige angrenzende Siedlungen ihre Unabhängigkeit gegen das Versprechen, städtisch zu werden.

Schon kurios: Der Tag springt im Kalender um und Nürnberg ist über Nacht um 35.000 Einwohner reicher. So geschehen am 1. Juli 1972: An diesem Stichtag wurde die Eingemeindung von acht angrenzenden Dorfgemeinden wirksam: Boxdorf, Neunhof und Großgründlach im Knoblauchsland, Katzwang, Kornburg, Worzeldorf, Fischbach mit Altenfurt und Brunn mit Birnthon im Süden. Dazu kamen auch ein Stückchen von Schwaig (Freilandsiedlung im Osten von Laufamholz) und Wolkersdorf (Holzheim). Im kommenden Jahr liegt der Auftakt der kommunalen Gebietsreform ein halbes Jahrhundert zurück - und das will die Stadt Nürnberg feiern.

Festakt mit Ausstellung

Einen Vorausblick auf die Festivitäten hat im Kulturausschuss des Stadtrats Arnold Otto, der Leiter des Stadtarchivs, gegeben. Bei ihm landete zur Bearbeitung ein Antrag der CSU-Fraktion, die die Eingemeindung nach 50 Jahren gebührend gewürdigt wissen will. Am 1. Juli 2022 soll demnach ein Festakt im Rathaussaal stattfinden, begleitet von einer Ausstellung, die vom Rathaus durch die Stadtteile wandert.

Ein entwaffnendes Beispiel für die bis heute fortbestehenden Identitäten der Ortsteile warf sogleich SPD-Stadtrat Ulrich Blaschke ein: Er müsse aus Kornburg die Bitte überbringen, den Termin noch einmal zu überdenken – am 1. Juli werde dort traditionell die Kirchweih eröffnet. Das machte auch Arnold Otto erst mal ratlos, der Termin sei eigentlich mit allen Bürgervereinen abgestimmt und der Kirchweihkalender freilich überall wegen Corona-Nachholeffekten voll.

Was das Stadtarchiv außerdem liefern will, für die Ausstellung und darüber hinaus: persönliche Überlieferungen. Zeitzeugen der Eingemeindung sollen interviewt und ihre Erinnerungen dokumentiert werden. Schließlich wirkte die Gebietsreform nicht nur auf dem Papier, sondern bewegte durchaus Herzen. Alle Dörfer außer Brunn wehrten sich vehement gegen den Verlust der Selbstständigkeit.

Erfahren in "Oral history"

Das Stadtarchiv hat in den vergangenen Jahren Erfahrung mit solcher "Oral history" gemacht, indem es Migrationsgeschichten und Erinnerungsobjekte von Bürgern aufarbeitete. Die zuständige Personalstelle müsste dafür aber erst einmal über den Jahreswechsel hinaus finanziert werden.

Aus wie vielen Stadtteilen besteht Nürnberg? Bei der harmlosen Frage fängt das Problem schon an. Die historisch gewachsenen sind nicht jene, die in der Stadtplanung als "Statistische Bezirke" laufen, die Verwaltungsgrenzen eines Viertels entsprechen nicht unbedingt den gefühlten Umrissen. Für den neuen Archivleiter, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, ist das Eingemeindungsjubiläum daher der Anlass, die Stadtteilgeschichte wissenschaftlich sauber aufzuarbeiten. So soll im Lauf der nächsten Jahre ein Handbuch der Nürnberger Viertel entstehen.


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Dazu, so der Historiker, biete der Kalender nämlich noch länger Anlass: 2023 liegen die Eingemeindungen von Almoshof, Lohe, Schnepfenreuth und Zerzabelshof 100 Jahre zurück, 2024 blickt Nürnberg auf 125 Jahre einer weitreichenden Übernahmeserie von Stadtteilen rund um den heutigen Mittleren Ring zurück, von Mögeldorf über Schoppershof über Leyh bis Schweinau. Auch 2022 darf man sich an ein Jahrhundert zuvor erinnern: 1922 wuchs die Stadt um Buchenbühl, Röthenbach und einige mehr, und so ging das munter weiter. Seit 1978, dem Ende der Gebietsreform, ging es dann aber fast nur noch um Waldgebiete und kleine Grenzverschiebungen.

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