Etikettenschwindel in Nürnberg: Hauptmarkt wird Rummelplatz

4.8.2020, 17:24 Uhr
Der Hauptmarkt hat viel erlebt - ein Volksfest aber noch nicht. 

© Stefan Hippel Der Hauptmarkt hat viel erlebt - ein Volksfest aber noch nicht. 

Corona wirft soviel Vertrautes, Wichtiges und Liebgewordenes über den Haufen, dass einem schummrig werden kann. In Nürnberg gilt das jetzt auch für den Umgang mit dem Hauptmarkt. Autoscooter und Riesenrad, gar eine Achterbahn im Herzen der Stadt – die "Sommertage" stoßen vielen sauer auf. Auch weil sie nicht bloß auf ein verlängertes Wochenende angelegt sind, sondern gleich mehr als fünf Wochen dauern soll.


So war der Start des Volksfests in Nürnbergs Innenstadt


Hatte es nicht, lange vor Corona versteht sich, allerhand Versprechen und Selbstverpflichtungen des Stadtrats und der Verwaltung gegeben, den Hauptmarkt vor allem als das zu nutzen, wofür er gedacht ist: als Markt? Natürlich nicht nur für den Verkauf von Obst und Gemüse, sondern auch für alle besonderen Märkte, von Ostern über den Herbst bis Weihnachten. Und er sollte mehr zum Verweilen einladen.

Das bedeutete freilich auch: Die Latte für alle möglichen anderen Nutzungen sollte deutlich höher gehängt werden als früher. Nun ist die Stadtverwaltung offenkundig eingeknickt und hat – angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Pandemie-Folgen – alle Augen zugedrückt, um den Hauptmarkt als "Rummelplatz" freizugeben. Dabei darf unterstellt werden, dass der Schaustellerverband allein (trotz aller Lobbyarbeit) das wohl nicht geschafft hätte. Aber mit ihm drängten offenbar der darbende Einzelhandel wie auch die Gastronomie auf eine nachhaltige Belebung der Innenstadt.

Schausteller-Sturm ist verständlich

Vielleicht wäre es nicht so weit gekommen, hätte sich die Staatsregierung nicht so stur an ihre Vorgabe geklammert, die sie vor Wochen verkündet hat – nämlich die Absage aller Volksfeste und Kirchweihen bis Ende Oktober. Dass die Schausteller dagegen Sturm liefen und laufen, ist umso verständlicher, wenn gleichzeitig Freizeitparks ihren Betrieb wieder aufnehmen und öffnen durften.

Denn was dort geht, hätte sich beispielsweise auf dem Nürnberger Volksfestplatz leicht ebenso arrangieren lassen. Einzige Ausnahme: Bierzelte zu betreiben, bleibt wohl auf absehbare Zeit weder organisierbar noch zu verantworten – was vor allem dem Münchner Oktoberfest keine Chance lässt.

"Dezentrales Volksfest" ist Etikettenschwindel

Für Nürnberg lässt sich dagegen festhalten: Die nun gefundene Lösung eines "dezentralen Volksfestes" mit acht oder neun Aktionsflächen ist nichts anderes als ein Etikettenschwindel. Geboren aus der Not, dass die Södersche Landesregierung den Unterschied zwischen einem Familien- und einem internationalen Bierfest nicht in Paragrafen zu fassen vermochte.


Erster Blick: So läuft der Aufbau des Nürnberger City-Volksfests


Vermutlich scheute sie aber nicht nur die politische Verantwortung, falls etwas schiefgehen sollte, sondern auch das Problem eines Präzedenzfalles: Nach einem "Ja" zu einem (wenn auch abgespeckten) Volksfest am Dutzendteich wäre die allgemeine Absage für Kirchweihen nicht mehr zu halten gewesen.

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