Strukturreform

Ex-Amtschef Beier übt heftige Kritik an Reform des Nürnberger Gesundheitsamtes

31.5.2021, 18:33 Uhr
Fred-Jürgen Beier leitete von 2006 bis 2019 das Gesundheitsamt. Nun meldete sich der Arzt und Soziologe aus dem Ruhestand zu Wort. 

© Edgar Pfrogner Fred-Jürgen Beier leitete von 2006 bis 2019 das Gesundheitsamt. Nun meldete sich der Arzt und Soziologe aus dem Ruhestand zu Wort. 

In einem solchen Vorgehen sieht der 2019 in den Ruhestand gegangene Ex-Amtschef keine „Implementierung notwendiger Korrekturen“, sondern „den panischen Versuch politischer Schadensbegrenzung“. Es sei der vollkommen falsche Schritt, eine Doppelspitze zu bilden und der fachlichen Leitung Katja Günther einen kaufmännischen Behördenleiter zur Seite zu stellen. Die Stadt Nürnberg solle lieber froh sein, mit Günther eine Amtschefin zu haben, die beide Perspektiven einnehmen kann.

Kompetenzgerangel droht

Zudem benötige der fachliche Chef auch die Hoheit über Personal und Ressourcen, ansonsten drohe Kompetenzgerangel. Beier attestiert seiner Nachfolgerin, mit „extrem hohem Einsatz hervorragende Arbeit“ geleistet zu haben; nun werde sie zum „Bauernopfer“ gemacht.

Zudem befürchtet er, dass die Strukturreform „den Auftakt für eine künftige neue Rationalisierungswelle beim Gesundheitsamt bilden soll“.

Amt hat wichtigere Aufgaben

Die Pandemie sei noch nicht zu Ende, mahnt Beier, der zwischen 2006 und 2019 als Nürnbergs oberster Amtsarzt fungierte: „Es gibt zur Zeit wichtigere Aufgaben für das Gesundheitsamt, als einer neuen ,kaufmännischen und verwaltungstechnischen Leitung‘ mühsam das ABC des Öffentlichen Gesundheitsdienstes beibringen zu müssen.“


Was die Unterschiede bei den Inzidenz-Ziffern je nach Stadtteil angeht, kann sich Beier nicht vorstellen, dass seine frühere Behörde gegen die Veröffentlichung dieser Zahlen war – zumal stadtteilbezogene Ansätze der Gesundheitsförderung in der Arbeit des Amtes fest implantiert seien.

Wer arm ist, stirbt früher

Der 1953 geborene Mediziner und Soziologe hat in seiner Amtszeit stets auf die gesundheitlichen Folgen wirtschaftlicher Ungleichheit verwiesen: Im finanziell am schlechtesten gestellten Fünftel der deutschen Gesellschaft sei die Lebenserwartung im Schnitt um zehn Jahre kürzer als bei dem reichsten Fünftel. „Wer ärmer ist, stirbt (wahrscheinlich) früher.“ Beier befürchtet, dass sich diese unerfreuliche Statistik durch Corona noch verschärft.

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