Fahrdienst für Behinderte: Maskenpflicht oft nicht eingehalten

12.11.2020, 11:23 Uhr
Per Fahrdienste werden Menschen mit Behinderung zu Werkstätten oder anderen Einrichtungen gebracht - doch im Kleinbus wird nicht immer die Maskenpflicht eingehalten. Foto: imago

© imago stock&people Per Fahrdienste werden Menschen mit Behinderung zu Werkstätten oder anderen Einrichtungen gebracht - doch im Kleinbus wird nicht immer die Maskenpflicht eingehalten. Foto: imago

Gerhard Dusella hat Angst um sein Kind: Sein 18-jähriger Sohn ist geistig behindert und herzkrank, damit gehört er in Zeiten von Corona zur Risikogruppe. "Sollte unser vorbelasteter Sohn erkranken und der bekannte Verlauf eintreten, wäre es für ihn fast ein Todesurteil", sagt der Vater.

Sein Sohn besucht eine Einrichtung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben: In dem Haus der Lebenshilfe Nürnberg lernt der junge Mann verschiedene Berufe kennen. Per Fahrdienst geht es - zusammen mit anderen jungen Menschen - im Kleinbus zu der Einrichtung und wieder zurück zur Familie. Gerhard Dusella berichtet: "Es ist problematisch bis unmöglich, den geistig behinderten Kindern verständlich zu machen, wie wichtig das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist. Insofern wird dieser nach Antritt der Fahrt von den meisten Fahrgästen wieder entfernt."

"Das Risiko ist zu groß"

Gerhard Dusella sorgt sich um seinen Sohn und um die anderen Betroffenen: "Das Risiko einer Ansteckung ist einfach viel zu groß." Er ist der Meinung: "Ich fühle mich in dieser Situation vollkommen machtlos. Wenn keine Sicherheit beim Transport unserer Kinder möglich ist, müssen Einrichtungen für behinderte Menschen eben geschlossen werden."

Von diesem Vorschlag ist die Lebenshilfe Nürnberg wenig angetan. Marco Höyns, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, berichtet: "Beim Lockdown im Frühjahr, als die Schulen und Einrichtungen geschlossen waren, haben wir viele Rückmeldungen erhalten, dass den Menschen das fehlt." Viele Betroffene hätten sich damals einsam gefühlt: "Es ist keine gute Idee, die Einrichtungen zu schließen."


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Die Lebenshilfe baut vielmehr auf mehr Sicherheit und setzt derzeit zusätzliche Busse ein, um die Zahl der Mitfahrenden zu reduzieren. "Das haben wir aus eigener Tasche bezahlt." Zudem habe man sich entschieden, im Fahrzeug eine Trennwand zum Fahrer einzubauen. Generell gelte die Vorgabe: Die Menschen mit Behinderung müssen bei der Fahrt Maske tragen — ist dies nicht möglich, dann muss ein Mindestabstand von 1,50 Meter im Fahrzeug eingehalten werden. Eltern, die sich um die Sicherheit ihres Kindes sorgen, können bei der Regierung von Mittelfranken einen Antrag auf Einzelbeförderung stellen. "Wir bieten bei der Antragstellung unsere Mithilfe an", erklärt Marco Höyns.

"Wir kennen das Problem"

Andere Einrichtungen sind hier betroffen. So hat sich der Fahrdienst vom Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg neu aufgestellt — denn auch hier kommt es immer wieder vor, dass Betroffene während der Fahrt die Masken absetzen. "Wir kennen das Problem", sagt Pressesprecherin Birgit Winter. Die Fahrdienstzentrale hat sich mit den einzelnen Einrichtungen abgesprochen und ein Hygienekonzept erarbeitet. "Wir bilden zum Beispiel Touren so um, dass die Abstände im Fahrzeug eingehalten werden."


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Und auch Horst Rauh, Leiter des Sozialreferates beim Bezirk Mittelfranken, erklärt auf Anfrage: "Die Situation ist uns bekannt." Der Bezirk übernimmt als Kostenträger die Fahrten zu Einrichtungen im Arbeitsbereich: Die Kosten für die Fahrt zu den Werkstätten für behinderte Menschen betrugen 2019 in Mittelfranken etwa 7,1 Millionen Euro. Fahrten zu berufsvorbereitenden Einrichtungen bezahlt die Bundesagentur für Arbeit. Der Bezirk registriert derzeit auch Anträge auf Einzelbeförderung. Rauh erklärt: "Da es sich um Leistungen der Eingliederungshilfe handelt, auf die es bei Bedarf einen Rechtsanspruch gibt, werden sie in der Regel genehmigt."

Dass die derzeitige Situation für Eltern nicht leicht ist, weiß man auch im bayerischen Gesundheitsministerium. So verweist zwar ein Sprecher auf die Hygiene- und Sicherheitsregeln beim Transport von Menschen mit Behinderung — und ergänzt: "Gleichwohl ist das mit dem Transport in einem Kleinbus verbundene Infektionsrisiko nicht von der Hand zu weisen. Hier obliegt es den Sorgeberechtigten zu entscheiden, welche Risiken sie eingehen möchten." Und er sagt: "Im Einzelfall empfiehlt sich das Gespräch mit der jeweiligen Einrichtung über alternative Schutz- beziehungsweise Transportmöglichkeiten."


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