Vorwürfe aus Südbayern

Faktencheck: Bevorzugt Söder Nürnberg finanziell?

7.4.2021, 08:40 Uhr
2012 stellte Söder seine Pläne für die Sanierung der Kaiserburg vor.

© Daniel Karmann, NNZ 2012 stellte Söder seine Pläne für die Sanierung der Kaiserburg vor.

Es beginnt mit einer Niederlage. Im September 2008 fuhr Günther Beckstein als Ministerpräsident bei der Landtagswahl das schlechteste CSU-Ergebnis seit 1954 ein. Er stellte daraufhin sein Amt zur Verfügung. Nachfolger soll Horst Seehofer werden, der eine Koalition mit der FDP eingehen muss. Noch im Oktober verlangt der damalige CSU-Fraktionsvorsitzende im Nürnberger Stadtrat, Michael Frieser, von den Landtagsabgeordneten seiner Partei, sich verstärkt für die Interessen Nürnbergs einzusetzen.


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Auch der damalige OB Ulrich Maly (SPD) fordert das bayerische Kabinett auf, angesichts der Enttäuschung über die Wahlergebnisse Franken nicht wieder strukturell zu benachteiligen. Die Befürchtungen waren groß, dass mit Günther Beckstein ein wichtiger Fürsprecher für die Interessen Nordbayerns und Nürnbergs künftig im Kabinett fehlt. Beckstein hatte Messe und Flughafen vorangebracht und dafür gesorgt, dass das Nürnberger Theater zum Staatstheater aufgewertet wurde, so dass sich Stadt und Freistaat die Kosten für den Betrieb teilen.

Beckstein hatte mit der Fraunhofer Gesellschaft und dem Max-Planck-Institut auch Erfolge bei der Ansiedlung außeruniversitärer, wissenschaftlicher Einrichtungen in der Region. Die Rolle, Fürsprecher für Nürnberg zu sein, übernahm dann der neue Minister für Umwelt und Gesundheit, Markus Söder. In seiner dreijährigen Amtszeit startete er mit der Sanierung des Wöhrder Sees ein Großprojekt. Auch das Bionicum im Tiergarten – eine Einrichtung, die zeigt wie der Mensch von der Natur lernen kann – brachte er auf den Weg.

30 Millionen Euro für den Wöhrder See

Bis 2024, wenn die Sanierung des oberen und unteren Wöhrder Sees abgeschlossen ist, wird der Freistaat rund 30 Millionen Euro für die Verbesserung der Wasserqualität ausgegeben haben. Der Wöhrder See, der aufgrund der niedrigen Fließgeschwindigkeit der Pegnitz dazu neigt, zu versumpfen und schlechte Gerüche abzusondern, wurde vom staatlichen Wasserwirtschaftsamt ausgebaggert und erhielt Einbauten, damit das Wasser etwas schneller fließt. Es sollte zu keiner Algenbildung mehr kommen.

Der Wöhrder See ist eine Herzensprojekt für Markus Söder.

Der Wöhrder See ist eine Herzensprojekt für Markus Söder. © Horst Linke, NNZ

Den Wöhrder See nutzte Söder immer wieder, um sich fotografisch in Szene zu setzen: mal im Boot, mal bei einer Pflanzaktion in Wathose oder am Sandstrand in der Badebucht. Ohne die Maßnahmen wäre der Wöhrder See entweder langsam verlandet, oder aber die organischen Stoffe müssten jedes Jahr für viel Geld ausgebaggert werden. Mit dem Hinweis, dass das Bayerische Wasserwirtschaftsamt mit 20 Millionen Euro 2011 bei der Renaturierung der Isar auch sehr viel Geld ausgegeben hat, versuchte Söder, deutlich zu machen, dass jetzt endlich einmal Nürnberg an der Reihe sei, wenn Geld vom Wasserwirtschaftsamt ausgegeben werde. In Franken bestehe Nachholbedarf. Die Aufwertung des Umfelds übernahm im Übrigen die Stadt Nürnberg.

Millionen für die Kaiserburg

So richtig ins Füllhorn griff Söder als Finanzminister. Das Amt übte er zwischen 2011 und 2018 aus. Die Renovierung und Umstrukturierung der Kaiserburg wurde 2012 begonnen und ist noch nicht abgeschlossen. Als Finanzminister, der auch für die Verwaltung der bayerischen Burgen und Schlösser zuständig ist, konnte Söder natürlich das inzwischen über 20 Millionen Euro teure Projekt leichter anschieben, als wenn er Umweltminister geblieben wäre. Kurt Faltlhauser, Söders Vorgänger im Amt, war fixiert auf Oberbayern, erinnert sich Beckstein. Die Sanierung der Burg sei fällig gewesen.

Nach der Konjunkturdelle durch die Finanzkrise sowie dem Aus von AEG und Quelle beschloss das Kabinett unter Ministerpräsident Horst Seehofer 2014 eine Nordbayerninitiative, an der auch Söder mitgearbeitet hat. Ziel war, die nördlichen Landesteile technologisch für die Zukunft fit zu machen. Es waren aber auch kulturelle Projekte dabei. Für Nürnberg waren 4,2 Millionen Euro für das Zentrum Kultur- und Kreativwirtschaft auf AEG vorgesehen, 21,7 Millionen Euro für den Energie-Campus und eine Anschubfinanzierung von acht Millionen Euro für das Zukunftsmuseum, eine Außenstelle des Deutsche Museums. Auch die Technische Hochschule Georg-Simon-Ohm und die Friedrich-Alexander-Universität wurden mit Projekten bedacht.

Noch nicht umgesetzt ist die Zusage von Ministerpräsident Seehofer und Finanzminister Söder aus dem Jahr 2013, den kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs mit einer Sonderförderung von 395 Millionen Euro zu bezuschussen. Der Grund: der Frankenschnellweg ist ein regionales Projekt. Nur zum Vergleich: Parallel dazu erhielt München eine Förderzusage für eine zweite S-Bahnstammstrecke in Höhe von 1,3 Milliarden Euro.

Lob von Maly

Söder und der damalige OB Ulrich Maly versuchten die Chance zu ergreifen, als es 2015 aus der technische Fakultät der FAU heraus die Initiative gab, Lehrstühle nach Nürnberg, auf das ehemalige AEG-Gelände, zu verlegen, weil das Südgelände in Erlangen für eine Weiterentwicklung zu wenig Platz bot. Die beiden politischen Kontrahenten hofften darauf, den Hochschulstandort Nürnberg zu stärken. Das klappte am Ende nicht, weil sich die FAU, Siemens und Erlanger Politiker dagegen stemmten und der zur Verfügung stehende Platz auf dem ehemaligen AEG-Gelände angeblich zu klein war.

Im Frühjahr 2017 kündigte Seehofer dann überraschend an, dass Nürnberg eine neue Hochschule bekommt, im Mai wurde er dann konkret: Es soll eine Technische Universität neuen Typs sein. Ohne Fakultäten und mit mehr unternehmerischen Freiheiten. Beckstein ist überzeugt, dass Söder bei der Entscheidung maßgeblich mitgeholfen hat: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Seehofer plötzlich sein Herz für Nürnberg entdeckt hat. Ohne den Finanzminister hätte das nicht geklappt. Chapeau."

Für Maly ist die Technische Universität (TUN) eine "Jahrhundertentscheidung". Nürnberg sei bis dato die einzige Halbmillionenstadt in Deutschland gewesen, in der das zuständige Bundesland noch nie eine Hochschule errichtet hat: "Hochschulen sind tatsächlich das, was den kleinen Unterschied im interkommunalen Wettbewerb ausmacht, was Standorte stärkt und zukunftsfähig macht." Für die TUN soll in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro investiert werden.

Surferwelle und Volksbad

Söder schreibt sich selbst außerdem die Verlagerung des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege nach Nürnberg sowie die Ansiedlung des Heimatministeriums auf seine Fahnen. Einrichtungen des Freistaats wurden aber nicht nur nach Nürnberg, sondern auch in andere Städte wie Fürth verlagert. Doch damit nicht genug: Auch die Gründung der Reitergruppe der Polizei, den Zuschuss für die Surferwelle auf der Pegnitz, 18 Millionen für die Sanierung des Volksbads sowie den Neubau des Strafjustizzentrums reklamiert Söder für sich.

Der Münchner Merkur und die Süddeutsche Zeitung warfen Söder 2018 vor, Nürnberg zu bevorzugen. Die SZ schrieb, dass es Söder als Finanzminister gelang, "virtuos wie schamlos Landesgelder in örtliche Projekte zu leiten, etwa in die Sanierung der Kaiserburg". Söder selbst verwies darauf, dass die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen eben auch für Burgen in ganz Bayern zuständig sei.

Die Kritik erreichte einen neuen Höhepunkt, als im März 2021, wie schon einmal 2017, die Mietbedingungen für das Zukunftsmuseum auf dem ehemaligen Augustinerhofgelände öffentlich wurden. Rund 70 Millionen Euro Miete bezahlt das Deutsche Museum verteilt auf 25 Jahre. Söder verweist darauf, dass nicht der Freistaat, sondern das Museum den Mietvertrag ausgehandelt hat. Der Mietpreis ist in dieser Lage in Nürnberg keine Ausnahme. Parallel dazu gibt das Deutsche Museum in München 745 Millionen Euro für die Sanierung seiner Gebäude aus.

Mehr für München

Für Beckstein ist das Zukunftsmuseum ein "sensationelle Sache". Der ehemalige Ministerpräsident erinnert daran, das in den vergangenen zehn Jahren dem Freistaat wesentlich mehr Gelder für Zuschüsse und Förderungen zur Verfügung standen: "Unter dem früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber wurde brutal gespart. Heute wird schneller eine Milliarde Euro ausgegeben als früher 100.000 Euro."

Die Frage, ob Söder Nürnberg bevorzugt, ist nur im Zusammenhang zu beantworten: Nürnberg wurde lange Zeit vom Freistaat vernachlässigt und viele der Maßnahmen waren überfällig. Wenn Nürnberg nach 200 Jahren eine Universität vom Freistaat bekommt, ist das dann eine Bevorzugung? Bei der Kultur hat der Freistaat zwar sein Engagement in Nürnberg verstärkt, aber die Landeshauptstadt bekam 2018, Söders letztes Jahr als Finanzminister, deutlich mehr: 55 Millionen für Nürnberg, 445 Millionen Euro für München. An diesem Verhältnis hat auch ein Ministerpräsident Söder nichts geändert.

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