Fall 16: Angst ist sein ständiger Begleiter

27.11.2019, 09:27 Uhr

Zugegeben: Wenn die Weihnachtsaktion Schicksale von Geflüchteten aufgreift, spricht das nicht jede und jeden an. Aber aus langjähriger Erfahrung darf sie auf einen Kreis von Spenderinnen und Spendern vertrauen, die Menschen nicht ausgeschlossen sehen wollen, die bei uns Schutz suchen.

Dazu gehört zum Beispiel Karim P. (Name geändert). Der 20-Jährige stammt aus Tschetschenien – und musste vor genau einem Jahr miterleben, wie frühmorgens die Polizei seine Eltern und kleinen Geschwister aus dem Bett holte, um sie zum Frankfurter Flughafen zu bringen – auch die Mutter. Ärzte hatten ihr bescheinigt, "nicht reisefähig" zu sein. So ging der Abschiebeversuch gründlich daneben und verschärfte nur die Traumatisierung aller Beteiligten.

17 Jahre verbrachte er auf der Flucht

"Leider gehen die Behörden bei uns immer davon aus, dass in Tschetschenien akzeptable Verhältnisse herrschen, weil es als Teil von Russland gesehen wird. Aber es gibt zum Beispiel keine verlässliche medizinische Versorgung, ebenso wenig Einsätze von Ärzte ohne Grenzen", stellt Sabine Arnold von der Nürnberger Sinn-Stiftung fest. Die seelsorgerliche Betreuung von Menschen aus osteuropäischen und ehemals sowjetischen Ländern ist einer ihrer Schwerpunkte. "Und gerade in Tschetschenien werden Menschen zwischen den Fronten zerrieben, die Lage ist ebenso verheerend wie in Afghanistan."

Was Karim P. schon alles durchgemacht hat, mag man sich kaum ausmalen: 17 Jahre seines jungen Lebens verbrachte er auf der Flucht – und wurde unter anderem Zeuge, wie Maskierte seinen Vater verschleppten und wie Soldaten die Mutter bedrängten. Monatelang lebte er als Elfjähriger mit seiner Familie auf der Straße. Und wo auch immer die Familie einen Halt zu finden versuchte, erlebte sie Ablehnung. Kein Wunder, dass Angst zu seinem ständigen Begleiter wurde und psychosomatische Beschwerden heraufbeschworen hat. Dabei würde er, der fließend Deutsch spricht, hier auch wirklich gebraucht: Er absolviert gerade mit hoher Motivation eine schulische Pflegehelfer-Ausbildung. Denn ohne Arbeitserlaubnis war für ihn nur
dieser Weg zugänglich – ohne Vergütung, versteht sich.

Info: Zweckgebundene Spenden ("für Fall 16") sind diesmal vor allem dazu bestimmt, den Besuch von Sprachkursen zu ermöglichen und Betroffenen in besonderen Krisensituationen unter die Arme zu greifen.

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