Fall Asef N.: Aktivist nach Abschiebeprotest verurteilt

12.7.2018, 12:31 Uhr
Nach dem Einsatz wurde auch gegen zwei Polizisten ermittelt. Doch die Anschuldigungen von Teilnehmern der Proteste ließen sich nicht erhärten, auch weil die Zeugen nicht zu den Vernehmungen erschienen.

© Michael Matejka Nach dem Einsatz wurde auch gegen zwei Polizisten ermittelt. Doch die Anschuldigungen von Teilnehmern der Proteste ließen sich nicht erhärten, auch weil die Zeugen nicht zu den Vernehmungen erschienen.

Die Anklage war voller Wucht: Tätlicher Angriff, versuchte Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wurde Walter O. (Name geändert) vorgeworfen, Staatsanwalt Bernd Seitz wollte ihn dafür 15 Monate hinter Gittern sehen.

Freispruch forderten dagegen die Anwälte Yunus Ziyal und Heinke Rötters. Die Kluft zwischen den Anträgen des Anklägers und der Verteidiger zeigt, wie umstritten die Ereignisse des 31. Mai 2017 bis heute sind: Was ist angemessen? Warum wird aus Schulen abgeschoben? Hat die Polizei richtig gehandelt oder übermäßig brutal? Von wem ging die Gewalt aus? Zeigten die Schüler Zivilcourage oder sorgten sie nur für Krawall?

Verstoß gegen Gesetze?

Aber: Das erklärte Ziel eines Strafprozesses ist nur, zu rekonstruieren, was sich zugetragen hat, ob gegen Gesetze verstoßen wurde. Es gilt, dem Angeklagten rechtliches Gehör zu verschaffen und den Rechtsfrieden wiederherzustellen – politische Erwägungen dürfen im Rechtsstaat in einem Strafverfahren keine Rolle spielen.

Staatsanwalt Bernd Seitz argumentiert kühl: Via Sitzblockade versuchten Schüler zu verhindern, dass eine Streife Asef N. mitnimmt, mehrere Versuche, die Situation friedlich zu beenden, schlugen fehl, dies bestätigten der Einsatzleiter und ein Fotograf. Zu Recht wurde unmittelbarer Zwang angedroht und angewendet, zwischenzeitlich führten Beamte N., um ihn in einen anderen Streifenwagen zu setzen, ab. Er wehrte sich und in dieser Situation schob Walter O. sein Rad gezielt zwischen die Beamten. Verletzt wurde keiner der Polizisten, doch bereits der Versuch sei als tätlicher Angriff zu werten – der Staatsanwalt sieht die Anklage bestätigt. Überdies ist O. mehrfach vorbestraft, auch einschlägig wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Ein politisches Verfahren?

Walter O. hielt es, schon aus moralischen Erwägungen, dagegen für richtig, Widerstand zu leisten. Wer könne behaupten, es gäbe sichere Gebiete in Afghanistan – einem Land, das deutsche Politiker nur mit kugelsicheren Schutzwesten betreten. Auch die Verteidigung nennt das Verfahren politisch, hinter der Anklage stehe das Innenministerium: Schon dass Asef N. die Abschiebeanordnung der Regierung von Mittelfranken erst in die Hand gedrückt wurde, als in Frankfurt schon der Flieger wartete, war rechtswidrig, man habe verhindern wollen, dass er den Bescheid mit Rechtsmitteln angreift.

Statt zuzugeben, dass der Polizeieinsatz aus dem Ruder gelaufen war, so die Verteidigung, gab Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am nächsten Tag linken Autonomen die Schuld an der Eskalation. Im Zeugenstand beschrieben mehrere Pfarrer, ein Lehrer, eine Journalistin und ein Fotograf dagegen das überzogene Vorgehen der Polizei. Aus Sicht der Verteidigung die einzigen unabhängigen Zeugen.

Keine Gefangenenbefreiung

In ihrer Urteilsverkündung umfährt Amtsrichterin Helga Kastner all dies weiträumig: Eine versuchte Gefangenenbefreiung sieht sie nicht, Walter O. habe nur stören wollen. Auch einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte erkennt sie nicht, O. ging, so zeigen Videoaufnahmen, nach seiner Aktion aufgrund von Treffern mit einem Schlagstock sofort zu Boden.

Im Amtsgericht Nürnberg und Neumarkt wurden bislang drei Demo-Teilnehmer verurteilt. Auch gegen Asef N. selbst läuft ein Verfahren, noch ist es nicht terminiert.

Nach dem Einsatz wurde auch gegen zwei Polizisten ermittelt. Doch die Anschuldigungen von Teilnehmern der Proteste ließen sich nicht erhärten, auch weil die Zeugen nicht zu den Vernehmungen erschienen.