Falscher Eigenbedarf: Strafe statt Flüchtlingsunterkunft

3.2.2017, 05:56 Uhr
Der Vermieter hatte die Mieter dieses Hauses in der Geigerstraße in Nürnberger-Reichelsdorf hinausgeekelt, um Flüchtlinge dort unterbringen zu können.

© Eduard Weigert Der Vermieter hatte die Mieter dieses Hauses in der Geigerstraße in Nürnberger-Reichelsdorf hinausgeekelt, um Flüchtlinge dort unterbringen zu können.

Laut deutschem Recht kann einem Mieter, der sich ordentlich verhält und seine Miete bezahlt, nicht gekündigt werden. Einzige Ausnahme: der Eigenbedarf.

In Nürnberg-Reichelsdorf sorgte im Frühjahr 2016 eine Eigenbedarfskündigung für große Empörung. Damals drängte ein Hauseigentümer neun Parteien aus einer Wohn- und Gewerbeimmobilie in der Geigerstraße - die Mieter beschwerten sich in unserer Redaktion, klagten über "Mafia-Methoden". Kaum einer wollte, aus Angst vor dem Vermieter, seinen Namen in der Zeitung lesen.

Doch ein 34-jähriger Mieter wehrte sich nun per Zivilklage vor dem Amtsgericht: Er zog im Mai 2016 aus der Eineinhalb-Zimmer-Wohnung, so erklärt er vor Gericht, weil er glaubte, keine Chance gegen eine Eigenbedarfskündigung zu haben. Vermieter Angelco S. behauptete damals, für sich und seine Familie ein Mehrgenerationenhaus zu planen. Als der Mieter jedoch erfuhr, dass S. schon vor der Kündigung einen Vertrag mit der Stadt Nürnberg abgeschlossen hatte, um das Quartier künftig mit Flüchtlingen zu belegen, ärgerte er sich.

Rabiate Methoden

Angelco S. hatte die Immobilie im August 2015 erworben, danach versuchte er zunächst, die Miete deutlich zu erhöhen. Als die Mieter protestierten, konterte er mit der Kündigung. Danach wurde es unangenehm, deutet auch der Rechtsanwalt des klagenden Mieters vor Gericht an: Immer wieder standen bis zu zehn Männer vor der Haustür, die Mieter fühlten sich eingeschüchtert. Dann wurde eine Entschädigung angeboten (der klagende Mieter erhielt 750 Euro) und Aufhebungsverträge wurden unterzeichnet.

Berichte unserer Zeitung über das rabiate Vorgehen des Vermieters, der sich mit dem Flüchtlingsheim offensichtlich bereichern wollte, schreckten damals auch die Stadt Nürnberg auf: Angelco S.s Plan, in seinem Haus Flüchtlinge unterzubringen, ging nicht auf. Die Stadt fühlte sich hinters Licht geführt und trat von dem Vertrag zurück. S. hatte behauptet, das Haus sei leer.

Derzeit wird, so wird in der Verhandlung behauptet, das Anwesen renoviert. Vermieter S., der vor Gericht selbst nicht erscheint, sondern sich von einem Anwalt vertreten lässt, plant angeblich wieder ein Mehrgenerationenhaus für seine Familie.

Dem Ex-Mieter muss S. 2880 Euro Schadenersatz zahlen. Die Summe entspricht der Differenz der Miete in der Geigerstraße zur heutigen Miete des Klägers. Auch die Verfahrenskosten muss S. tragen.