Feuer hat immer eine magische Anziehungskraft

29.7.2011, 18:04 Uhr

Sie haben zugeschaut, als die Erzieherin Sabine Ittner das Feuer angezündet hat. Und als es an einer Stelle heruntergebrannt und eine Glut entstanden war, haben sie ihre Bananen darauf gelegt. Die hatten sie zuvor der Länge nach aufgeschlitzt und mit Schokoladenstückchen „gefüttert“. „Ich finde es schön, wenn die Flammen so hoch gehen“, sagt Sonja, nachdem sie das letzte bisschen von ihrer heißen Schoko-Banane hinuntergeschluckt hat. „Davon mache ich gern Fotos mit meinem Handy“, fügt die Elfjährige hinzu.

Lagerfeuer auf dem Abenteuerspielplatz Röthenbach: Die Kinder, die kurz zuvor noch an anderen Stellen herumgetobt sind, können sich der Faszination nicht entziehen. „Wenn wir ein Feuer machen, sind die Kinder immer dabei“, sagt Tanja Sperling, die Leiterin der Einrichtung. „Das hat immer Anziehungskraft – und gerade, wenn's auch um Essen geht.“

Waffeln, Stockbrot und Chili aus der Feuerküche

Auf diese Vorlieben gehen die Pädagoginnen gern ein. Ein Feuer wird hier immer mal wieder angeschürt. Im Programm für die Sommerferien ist es mehrfach vorgesehen: Einmal sollen Waffeln über dem Feuer gebacken, ein anderes mal soll Chili gekocht und schließlich noch Stockbrot zubereitet werden. „Wenn wir Stockbrot machen, ist es jedes Mal ein anderer Teig“, sagt der elfjährige Jonny fachkundig. „Wir hatten Stockbrot aus einer Art Pizzateig, wir hatten es aus Brotteig, und wir hatten es aus einem Teig, der besser war als alle anderen...“ Jonny gerät ins Stocken. Tanja Sperling weiß, aus was das besonders tolle Stockbrot war: „Quarkölteig mit Kräutern“.

Sie hat ein Buch mit auf die Bank gebracht, aus dem sie und ihre Kollegin sich Anregungen holen. „Wilde Küche“ heißt es. Die Autorin Susanne Fischer-Rizzi hat darin Rezepte fürs Kochen über offenem Feuer veröffentlicht – Kochanleitungen, die nicht jeder so ohne weiteres in die Praxis umsetzt. Schließlich ist es in der Regel praktikabler, auf dem Herd zu kochen. Oder wer möchte sich schon zum Suppe kochen in den Garten stellen? Doch genau das haben die Kinder auf dem Abenteuerspielplatz schon gemacht: Suppe in einem großen Topf gekocht, der an einem Dreibein über dem Feuer hängt. Vor allem in den Wintermonaten kommt so etwas gut an. „Das schmeckt total lecker, das ist eine ganz andere Hitze“, gerät die elfjährige Elisabeth ins Schwärmen. Der 13-jährige Resul fand den Mais besonders gut, der in einem Wassertopf gekocht wurde. Und Max schweift ab zu einem anderen Feuer-Erlebnis: Ihn hat der Feuerspucker beeindruckt, der an seiner Schule Kunststücke vorgeführt hat.

Von der Anziehungskraft des Feuers weiß auch der Erlebnispädagoge Thomas Eberle zu berichten. „Feuer ist eines der Urelemente“, fasst er zusammen, „und es fasziniert viele immer wieder.“ Das erkläre sich unter anderem auch daraus, dass viele Leute normalerweise kaum Zugang dazu hätten. Die Gefahr, die vom Feuer ausgeht, die Hitze, das sich ständig wandelnde Licht verfehlen ihre Wirkung nicht.

Thomas Eberle, der an der Uni Erlangen-Nürnberg den Lehrstuhl für Schulpädagogik mit Schwerpunkt Hauptschule bekleidet, hat als Outdoortrainer ab und zu mit dem Urelement Feuer zu tun. Lagerfeuer, Kochen auf dem Feuer oder Fackelwanderung – immer gehe es auch darum, das Feuer und die damit verbundene Gefahr zu beherrschen. An einem Lagerfeuer komme man zur Ruhe und erlebe die Gemeinschaft. Hier zusammenzusitzen, könne sogar eine Gruppe nach einem Streit einen.

Bei erlebnispädagogischen Maßnahmen kann, je nach Zielsetzung, ein Lagerfeuer Teil des Gesamtkonzepts sein. Unter anderem kann es das geeignete Setting sein, um Reflexionsphasen einzuleiten. In der besonderen Atmosphäre eines Lagerfeuers fällt es manchen leichter, sich auszutauschen über Themen, die sie bewegen. Beim Holzmachen und Feuerschüren wiederum kommen Kompetenzen zum Einsatz, die sonst nicht gefragt sind.

„In dem Moment, in dem sie ein Feuer haben, sitzen die Leute darum herum und kommen ins Gespräch“, unterstreicht auch Claus Haupt, der Leiter des Erfahrungsfeldes zur Entfaltung der Sinne. „Man ist begeistert von dieser Lebendigkeit“, glaubt er. Das Knistern und die Wärme machen die Magie aus – und dass das Feuer sich entgegen der Schwerkraft entwickelt: Die Flammen steigen nach oben.

Wo Phänomene physikalischer oder chemischer Natur etwas mit dem Menschen zu tun haben, wo sie an Emotionales oder Seelisches rühren, da ist der Bereich, der für das Erfahrungsfeld besonders interessant ist. Auch in der Sprache schlägt sich das nieder: Claus Haupt weist darauf hin, dass Redewendungen wie „für jemanden Feuer und Flamme sein“, „von etwas entflammt sein“ oder „sich für jemanden erwärmen“ genau auf diese Schnittstelle zwischen Körperlichem und Emotionalem abzielen.

Kein Wunder also, dass eine der ästhetisch schönsten Stationen, die das Erfahrungsfeld je hatte, „Flammentanz“ heißt. Entworfen hatte diese Station der ehemalige Nürnberger Kunstprofessor Erhard Hößle. Es handelt sich um ein Spiel mit dem Feuer: Durch geschicktes Dosieren von Gas und Sauerstoff verändern sich die Farben und Formen von Flammen, es entstehen verschiedene „Bilder“. In einem davon fängt ein metallisches Netz ein ganzes Stück über den Flammen an rötlich zu glühen. „Das gab immer Applaus“, sagt Claus Haupt.

Die meisten Aktivspielplätze in Nürnberg haben eine Feuerstelle. Die Station „Flammentanz“ gibt es im mobilen Erfahrungsfeld zu sehen. „Wilde Küche“ von Susanne Fischer-Rizzi ist im AT Verlag erschienen.
 

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