Flüchtlinge essen wieder, doch neuer Streik droht

10.7.2014, 06:00 Uhr
Der Notarzt musste gestern mehrfach zum Flüchtlingszelt am Hallplatz kommen: Fünf Hungerstreikende wurden ins Krankenhaus gebracht. Bei den Übrigen wurde einmal stündlich der Blutdruck gemessen.

© Horst Linke Der Notarzt musste gestern mehrfach zum Flüchtlingszelt am Hallplatz kommen: Fünf Hungerstreikende wurden ins Krankenhaus gebracht. Bei den Übrigen wurde einmal stündlich der Blutdruck gemessen.

Nach 99 Stunden ohne einen Bissen zu essen und 27 Stunden ohne einen Schluck zu trinken kann Mimi nicht mehr. Ihr Blutzuckerspiegel ist rapide abgesunken. Sie schwitzt, zittert, hat Kopfschmerzen, ihr ist schlecht. Die Entscheidung fällt schnell: Die Flüchtlinge vom Nürnberger Hallplatz rufen den Notarzt. Mimi ist nur die Erste an diesem Tag, die unter schweren Kreislaufproblemen leidet: Insgesamt werden drei Frauen und zwei Männer in Kliniken rund um Nürnberg gebracht. Sie sind dehydriert und schwach. Im Krankenhaus erhalten sie Infusionen, bis sich der Organismus stabilisiert.

Den anderen Flüchtlingen – insgesamt nehmen 16 am trockenen Hungerstreik teil, die beiden Sprecher verzichten "nur" auf feste Nahrung - geht es derweil gut. Noch. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch sie kollabieren werden. Jede Stunde wird ihr Blutdruck gemessen, regelmäßig der Blutzuckerspiegel untersucht. Ärzte und Krankenschwestern haben sich bereiterklärt, auf ehrenamtlicher Basis immer wieder nach dem Gesundheitszustand der Hungerstreikenden zu sehen.

Das hatte das Nürnberger Ordnungsamt zur Auflage erklärt. Schließlich stehe das gesundheitliche Wohl der Flüchtlinge im Mittelpunkt, erklärt Behördenleiterin Katrin Kurr. Aber allen Beteiligten ist klar: Findet sich nicht bald ein Kompromiss, mit dem die Flüchtlinge bewegt werden können, ihren Streik zu beenden, werden alle nacheinander mit dem Krankenwagen abtransportiert werden müssen; im schlimmsten Fall muss das Amt das Zelt sogar räumen lassen. "Wir lassen es darauf ankommen", sagt Naqib Hakimi, Sprecher der Flüchtlinge.

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly bringt schließlich Bewegung in die verfahrene Situation. Nach Informationen dieser Zeitung telefoniert er mit Manfred Schmidt, Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Dieser hatte sich bisher immer geweigert, mit den Flüchtlingen direkt über ihre Forderungen zu sprechen – das hatte er auch erst im Gespräch mit den NN am Vortag betont.

Gespräch mit Maly und Schmidt am Samstag

Aber Maly kann Schmidt überzeugen, doch auf die Hungerstreikenden zuzugehen. Am Nachmittag überbringt Martina Mittenhuber, Leiterin des Menschenrechtsbüros, den Flüchtlingen ein Angebot von Maly und Schmidt. Beide wollen am Samstag im Caritas-Pirckheimer-Haus ein Gespräch mit den zwölf Männern und sechs Frauen über ihre Situation führen.

Bedingung: Die Asylbewerber müssen ihren Hungerstreik sofort beenden. Die Entscheidung fällt schnell. Sobald das Angebot von OB und Bamf-Chef schriftlich vorliegt, werden die Flüchtlinge wieder essen und trinken. Um 15.30 Uhr bringt Mittenhuber dann die unterschriebene Erklärung vorbei, die Erleichterung ist ihr anzumerken. Schnell organisieren Helfer stilles Wasser und Gemüsebrühe – die Flüchtlinge müssen sich erst langsam wieder an feste Nahrung gewöhnen. Der Hungerstreik am Hallplatz ist beendet.

Zumindest vorerst, schränkt Naqib Hakimi ein: Falls das Gespräch am Samstag keine Ergebnisse bringen sollte, werden die Flüchtlinge wieder in den Hungerstreik treten. Allerdings werden sie dann wohl nicht mehr den Nürnberger Hallplatz als Basis nutzen können. Teil der Vereinbarung ist, dass das Zelt bis Samstag abgebaut werden muss.

Doch an diesem Nachmittag sind alle Beteiligten optimistisch, dass eine langfristige Lösung gefunden werden kann. "Ich bin erleichtert", sagt Hakimi. "Wir alle sind erleichtert. Jetzt haben wir zumindest Hoffnung."

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