"Foucaultsches Pendel" in der Geschwister Scholl Realschule

20.3.2012, 08:00 Uhr

© Roland Fengler

Ein Terazzo-Boden mit einer weißen Rose, deren Blätter sich langsam zu zahlreichen Flugblättern verwandeln, an der Wand ein Porträt der Geschwister Scholl, deren Gesichter sich wiederum aus Flugblättern zusammensetzen. Darüber schwingt die massive Kugel des Pendels.

Das fertige Kunstwerk kann sich wirklich sehen lassen. Nicht nur Lehrer, Freunde und Familie staunen, auch die Schülerinnen freuen sich sichtlich: „Wir sind sehr stolz auf das Projekt, weil wir so viel Kreativität, Zeit und Arbeit herein gesteckt haben.“

Von September 2011 bis März 2012 verging kaum ein Tag, an dem die Schülerinnen nicht gemeinsam mit ihrer Kunstlehrerin Dorothea Koch gearbeitet haben: „Wir waren sogar in den Schulferien und anderen freien Tagen beim werkeln“, so Jennifer Goetz und Claudia Schindler. Selbst die Lehrerin zeigt sich von so viel Engagement überrascht: „Die Mädchen waren wirklich kaum zu bremsen“, lacht sie und fügt hinzu: „so macht das Unterrichten einfach Spaß.“

Auch für die Unterstützung der Lehrerin gab es viel Anerkennung: „Frau Koch hat unsere manchmal übersprudelnde Phantasie in die richtigen Bahnen gelenkt“, fasst Sevine Celebican zusammen. Dorothea Koch war letztlich auch, die aus den vielen Skizzen das Rosenmotiv ausgewählte: „Eigentlich war das so nicht geplant, aber die Mädels konnten einfach keine Entscheidung treffen“, berichtet die Pädagogin. Schließlich gab es noch von zwei professionellen Handwerkern einige Unterstützung bei der Gestaltung.

Steinmetz und Schreiner Rafael Graf entwarf die Kugel, Terrazo-Spezialist Hans-Peter Welz leitete die Errichtung des Bodens fachkundig an: „Der Herr Welz war schon streng mit uns, denn er kann es nicht leiden, wenn Mädchen sich die Finger nicht schmutzig machen wollen“, so die Schülerinnen.

Darüber musste sich Welz jedoch bei den Neuntklässlerinnen keine Sorgen machen: „Keine von uns ist arbeitsscheu, und ganz oft sind wir mit vollgekleksten Hosen und Schuhen nach Hause gekommen“, erzählt Sarah Büchner. Besonders viel Spaß hat den meisten Mädchen das Malen und filigrane Arbeiten gemacht. „Das Steineklopfen war dagegen mega-anstrengend“, erinnert sich Melek Özgen stöhnend.

Wie kam es überhaupt zu diesem außergewöhnlichen Projekt? „Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das Programm „Stärken vor Ort“ ins Leben gerufen, um die soziale, schulische und berufliche Integration von benachteiligten jungen Menschen zu fördern“, erklärt Hans-Jürgen Fischer vom städtischen Jugendamt, der die soziale Koordinierung des Projekts übernommen hatte.

Ende 2011 endete das Programm planmäßig nach dem dritten Förderjahr. Insgesamt 71 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds wurden in die zahlreichen Einzelkonzepte gesteckt. Beim Vorhaben der Geschwister-Scholl-Schule stand der Gedanke im Vordergrund, junge Frauen für Handwerksberufe zu interessieren – deswegen beschränkte sich der Teilnehmerkreis auch nur auf Schülerinnen.

Können sich die Projektteilnehmerinnen nun tatsächlich vorstellen, eine Karriere im Handwerk einzuschlagen? Jennifer und Sarah überlegen wirklich, eine Ausbildung zur Malerin, etwa mit dem Schwerpunkt Kirchenmalerei, zu machen. Sevine möchte lieber Rechtsanwältin werden und Claudia zieht es in den Polizeidienst.

Für Hans-Jürgen Fischer sind diese Perspektiven nebensächlich: „Ausprobieren und den Horizont erweitern, das ist doch das allerwichtigste und gehört zum verantwortungsbewussten Handeln dazu“, meint er. Die Schülerinnen freuen sich noch aus einem anderen Grund über das gelungene Kunstwerk: „Unser Projekt bleibt auch noch, wenn wir alle die Schule schon längst verlassen haben.“

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