"Free-Tours"-Stadtführungen sorgen in Nürnberg für Ärger

16.5.2019, 05:52 Uhr
Ein Besuch am Schönen Brunnen auf dem Hauptmarkt gehört zum Standard-Programm einer Sightseeing-Tour in Nürnberg.

© Stefan Hippel Ein Besuch am Schönen Brunnen auf dem Hauptmarkt gehört zum Standard-Programm einer Sightseeing-Tour in Nürnberg.

Dorian Barbera bietet die Touren regelmäßig an, los geht es immer am Schönen Brunnen. Der Student hat die Idee von seinen Urlaubsreisen mitgebracht. Mittlerweile gehören sieben Führer zum Team, sie bieten ihre Touren auch auf Englisch, Spanisch oder Italienisch an. Das Angebot sei super, sagen Adi und Debbie aus Israel, die sich gerade der englischen Gruppe anschließen. "Wir kennen es schon aus Berlin und Frankfurt." Die beiden 64-Jährigen sind gerade auf einer Deutschlandtour, Free Tours haben sie, wie sie versichern, nicht aus Kostengründen gewählt. "Es sind meistens junge Leute, und sie machen es auf eine lockere Art. Das gefällt uns einfach gut."

Ähnlich präsentiert sich auch Barbera. Bevor es losgeht, holt der 23-Jährige erst mal eine Tüte Gummibärchen aus seinem Rucksack und verspricht jedem, der eine seiner Fragen beantworten kann, eine süße Belohnung. Dann startet die Tour mit ein paar Infos zum Schönen Brunnen und zur Frauenkirche, bevor die Gruppe dann gemeinsam das Männleinlaufen begutachten kann - von Barbera zuvor als "ziemlich coole Show" tituliert.

In diesem Stil geht es weiter, historische Fakten mixt der Nürnberger mit Anekdoten und Tipps. So empfiehlt er der Gruppe auf dem Weg zur Burg, unbedingt im "Burgwächter" das Bamberger Rauchbier Schlenkerla zu testen ("schmeckt wie geräuchertes Brot"), später legt er einen Stopp am "Schlemmer-Eck" ein, wo es seiner Meinung nach die besten Bratwürste gibt.

Als er über Nürnbergs Geschichte im Nationalsozialismus referiert, schlägt er ernste Töne an. Meistens aber geht es lustig zu. "Frisch, unterhaltsam und witzig", urteilt Julia, die das Prinzip der "Free Tours" schon von vielen Reisen kennt. "Ich gebe immer Trinkgeld", sagt die 29-Jährige. "Und die Höhe mache ich davon abhängig, wie gut es mir gefallen hat."

Kampf um Anerkennung des Berufsbildes

Eben das stört die anderen Anbieter. "Sie bieten ihre Ware quasi für Null an", sagt Michaela Hertlein, Vorsitzende des Vereins der Gästeführer. Doch das Trinkgeld sei auch eine Art Bezahlung. "Wir finden nicht in Ordnung, dass das auf die gleiche Stufe gestellt wird." Zumal die klassischen Gästeführer eine Ausbildung absolviert hätten und oft sogar nach einer DIN-Norm zertifiziert seien, wie Stadtführerin Antje Schirmer betont. "Wir qualifizieren uns außerdem permanent weiter, nicht nur inhaltlich, sondern auch in Didaktik und Rhetorik."

Doch sei der Beruf leider nicht geschützt, deshalb könne jeder als Stadtführer arbeiten. Der Bundesverband kämpft deshalb seit Jahren für eine Anerkennung des Berufsbildes, bisher ohne Erfolg. Gute Arbeit solle auch bezahlt werden, findet Schirmer. "Mit dieser Schnäppchenmentalität macht man gewachsene Strukturen kaputt." Das Angebot von Free Tours wirke sich auch auf die Nachfrage aus. "Vor allem bei den englischsprachigen Touren graben sie uns das Wasser ab", sagt Hertlein.

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