Friseure öffnen wieder: Zwischen Euphorie und blanken Nerven

4.5.2020, 19:15 Uhr
Marcel Schneider hat seinen Friseursalon in Altenfurt den Corona-Vorsichtsmaßnahmen entsprechend umgestaltet.  Er freut sich, endlich wieder arbeiten zu dürfen.

© Meike Kreil Marcel Schneider hat seinen Friseursalon in Altenfurt den Corona-Vorsichtsmaßnahmen entsprechend umgestaltet. Er freut sich, endlich wieder arbeiten zu dürfen.

Im Franken-Center steht eine Frau vor dem Friseur im Erdgeschoss. Die 71-Jährige wollte einen Termin zum Schneiden ausmachen. Ein dickes Stirnband verdeckt ihr Haar: "Ja, es ist so schlimm", erklärt sie mit Augenzwinkern. Drei Monate sei ihr letzter Termin her. Doch die Glastüren des Ladens hier sind noch immer verschlossen. Zettel daran besagen, dass wegen Corona der Betrieb eingestellt ist. Ein Bild, an das man sich bereits gewöhnen musste. Wann das Geschäft wieder öffnet, steht da nicht. In Einkaufszentren gelten derzeit andere Regeln als für herkömmliche Betriebe.


Friseure öffnen wieder: Das müssen Kunden beachten


"Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur erlaubt, soweit die vorstehend genannten Ausnahmen betroffen sind", so steht es in Paragraph 2 der zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung vom 16. April. Darin steht auch, dass das Verlassen der Wohnung nur mit "triftigem Grund" erlaubt sei - und explizit: "Nicht zur Deckung des täglichen Bedarfs gehört die Inanspruchnahme sonstiger Dienstleistungen wie etwa der Besuch von Friseurbetrieben".

In der Innenstadt ist das Leben nach dem Corona-Shutdown erwacht. Im "Salon 1001" an der Lorenzer Straße herrscht Hochbetrieb. Es wird geschnitten, geföhnt, aufgehübscht. Aber nicht rasiert, Gesichtspflege sei noch nicht erlaubt, erklärt Inhaberin Akarsu Senay. Außerdem müssen die Kunden einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten. Alle Anwesenden tragen Mund-und-Nasenschutz, wie es Vorschrift ist. Die Inhaberin habe etwas umdisponiert, an der Wand stehen ein paar unbenutzte Stühle. Sonst sind alle vier Plätze belegt, ein Kunde kommt geordnet nach dem anderen dran. Jeden einzelnen fragen die Mitarbeiter nach Name und Telefonnummer. Eigentlich ist das bei Laufkundschaft nicht nötig. Doch nun können die Daten im Falle einer Corona-Infektion hilfreich sein, um die Ansteckung nachzuvollziehen. Ihr Umsatz heute wird "bombig", freut sich Senay schon im Voraus – auch, weil die meisten Kunden jetzt das "volle Programm" wollen. Das gebe ihr Hoffnung.

Vor einem Friseursalon im Hauptbahnhof stehen drei Menschen an. Geduldig warten sie in der Halle, bis ein Mitarbeiter sie hereinbittet. Im Laden herrscht Stress, keine Zeit für die Presse. Auch in anderen Betrieben scheinen die Nerven blank zu liegen. Kein Wunder: Sieben Wochen Umsatzverlust gilt es aufzufangen. Außerdem: Das Telefon steht nicht still und mit Maske lässt es sich nur schwer arbeiten, von der Hitze darunter ganz zu schweigen.

In den meisten Läden stehen Desinfektionsmittel am Eingang bereit. In einem wird auf einen "Hygienezuschlag" von drei Euro hingewiesen. Vor einem anderen schimpfen die Menschen in der Schlange über "die da oben". Wieder eine Straße weiter steht ein Mann vor einem kleinen Salon. Seit 20 Jahren lässt er sich hier normalerweise alle drei Wochen die Haare schneiden. Er ist glücklich, endlich wieder hier sein zu dürfen. "Meine Seiten sind viel zu lange, hinter den Ohren juckt es schon schrecklich." Zuletzt habe er sich die Haare in Namibia schneiden lassen. Dort sei er im Urlaub gewesen, bevor er mit einer Regierungsmaschine wieder nach Hause geflogen werden musste. Während er erzählt, klopft es von innen an der Scheibe: Er ist dran! Bevor er seine Geschichte oder seinen Namen erzählen kann, ist er auch schon fort. Lieber nicht den langersehnten Friseurtermin aufs Spiel setzen.

Im Friseursalon "By Marcel" in Altenfurt herrscht gute Laune. Inhaber Marcel Schneider hat noch immer Gänsehaut und zeigt seinen Arm her als Beweis: "Als heute morgen um 5 Uhr der Wecker klingelte, war ich voller Euphorie – wie beim Warten aufs Christkind und am ersten Schultag." Auch wenn das Fingerspitzengefühl mit Handschuhen nicht dasselbe sei. "Deshalb nehme ich mir mehr Zeit für den Kunden." Weil er einerseits mit der Reihe an Vorsichtsmaßnahmen länger für seine Arbeit brauche und weil er sich andererseits länger um seine Gäste kümmern möchte. Er merkt, dass seine Kunden ausgehungert seien nach sozialen Kontakten. Vor allem die Älteren und Alleinstehenden. Zeitschriften und Getränke darf Schneider ihnen nicht bringen, dafür aber kann er ihnen ein Stück weit Normalität bieten.


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