Für 100 Millionen Euro: Oberpostdirektion soll zum Campus werden

22.9.2020, 14:58 Uhr
Für 100 Millionen Euro: Oberpostdirektion soll zum Campus werden

© Foto: Wolfgang Heilig-Achneck

Als Evangelischen Campus Nürnberg (ECN) will die bayerische Landeskirche das frühere Telekom-Gebäude am Rathenauplatz, die einstige Oberpostdirektion, nutzen und gestalten. Das soll sich doppelt lohnen – für alle, die hier lernen, studieren und arbeiten und letztlich auch für den landeskirchlichen Haushalt.

"Dass hier einmal um die 2000 junge Leute ein- und ausgehen und für buntes, pulsierendes Leben sorgen werden, finde ich eine faszinierende Perspektive", so wirbt der Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche für das Projekt. Zumal das Haus auch öffentlich zugänglich sein soll: Das oberste Stockwerk eignet sich bestens für eine gastronomische Nutzung, von der Dachterrasse aus bieten sich bezaubernde Ausblicke.

Kauf war umstritten

Die Planungen sind weit gediehen. Ob sie umgesetzt werden soll die Landessynode, das Parlament der Protestanten im Freistaat, noch in diesem Jahr entscheiden. Doch der Kauf der Liegenschaft vor drei Jahren hatte nicht nur in der Öffentlichkeit aufhorchen lassen, sondern war in den eigenen Reihen durchaus umstritten.


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Das Finanzreferat der Landeskirche rechtfertigte den Erwerb für knapp 50 Millionen Euro vor allem als sinnvolle Kapitalanlage, unter anderem zur Absicherung ihrer Pensionsverpflichtungen – unabhängig davon, ob die stattliche Liegenschaft auch oder vorwiegend für kirchliche Zwecke genutzt oder vor allem an ein Dritte vermietet wird.

Die Kritiker monierten, die "Betonburg" sei zwar bestens erreichbar, vermittle aber ein irreführendes Bild von Kirche und passe weder zur grundsätzlich dezentralen Gemeindestruktur noch allgemein in die aktuell stark von Austritten und sinkenden Einnahmen bestimmte Lage.

Und in verschiedenen Dienststellen, wie dem landeskirchlichen Amt für Jugendarbeit oder dem für Gemeindearbeit, fürchteten nicht wenige eine "Zwangsumsiedlung" in ein Büromonster. Dagegen wurden schon bald auch andere Stimmen laut, allen voran von der Evangelischen Hochschule Nürnberg.

Diese leidet in ihrem derzeitigen Domizil an der Roonstraße unter akuten Engpässen – die Räume dort sind für weniger als 1000 Studierende samt Dozenten und Verwaltung ausgelegt, tatsächlich aber sind mehr als 1500 junge Leute eingeschrieben. Deshalb will sie ihren Betrieb komplett in den Campus verlagern. Ähnliches planen die Rummelsberger Dienste für einige ihrer beruflichen Ausbildungsstätten.

Um die Chancen auszuloten, steckte die Landeskirche fünf Millionen Euro in eine Machbarkeitsstudie samt weiteren technischen Erhebungen und gründete eine eigene Betriebsgesellschaft für den ECN. Zur Überbrückung sind Zwischenmieter wie die AOK und die Designbüros eingezogen, dazu die Kulturinitiative "Artischocken".

Im vergangenen Jahr brachte ein Architektenwettbewerb vielfältige Ansätze für einen sinnvollen Umgang mit dem 50 Jahre alten Gemäuer. Nach einer Nachbesserungsphase fiel kurz vor dem Lockdown im Frühjahr die Entscheidung für den Entwurf des Wiener Büros Franz & Sue.

Es strebt vor allem eine komplette Neugestaltung der Fassaden vor: Viel Holz und Glas sollen den Betonklotz in einen freundlich-transparent wirkenden Ort der Bildung und Begegnung verwandeln, Dachbegrünung inbegriffen. Dabei wird der südliche Trakt etwas aufgestockt, von dort bis zum Hauptgebäude soll sich die Hochschule erstrecken. Die einstige Kantine eignet sich als Auditorium Maximum. Der nördliche Flügel ist für die "Rummelsberger" bestimmt.

Einsparungen an anderer Stelle

Auf der Westseite sehen die Entwürfe attraktive Freiflächen vor. Der Hauptbau bietet Platz für kirchliche Dienststellen, für die bisher andernorts Mieten anfallen oder deren Liegenschaften renovierungsbedürftig sind. Rund ein Drittel der Gesamtfläche wird – nach bisheriger Kalkulation – auf dem freien Markt externen Mietern angeboten. Angesichts der Top-Lage ist den kirchlichen Immobilienfachleuten auch nicht bange, genügend (und in den Rahmen passende) Interessenten zu finden.

So hat sich zwischenzeitlich auch kirchenintern der Wind etwas gedreht – der Reiz und die Chancen werden stärker wahrgenommen. Das Projekt hat freilich einen stolzen Preis: Die Investitionskosten werden auf rund 100 Millionen Euro veranschlagt. Dabei kann der Finanzreferent der Landeskirche, Erich Theodor Barzen, unter anderem auch auf Zuschüsse aus dem staatlichen Topf für den Hochschulbau setzen, aber auch den Verkauf nicht mehr benötigter Liegenschaften ins Auge fassen.

"Wir nehmen keine Gelder aus dem laufenden Haushalt, die Gemeinden müssen nicht bluten", versichert er. Stimmt die Synode zu, soll das Vorhaben – so der ehrgeizige Plan – bis 2023 fertiggestellt sein.

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