Für den Frieden: Steuer-Boykott aus Gewissensgründen

11.10.2012, 16:00 Uhr
Friedensfahnen wehen am Ostermarsch vor der Nürnberger Lorenzkirche. Weil sie Kriege nicht mitfinanzieren wollen, üben sich einige Nürnberger seit Jahren im Steuer-Boykott.

© Stefan Hippel Friedensfahnen wehen am Ostermarsch vor der Nürnberger Lorenzkirche. Weil sie Kriege nicht mitfinanzieren wollen, üben sich einige Nürnberger seit Jahren im Steuer-Boykott.

Beim Finanzamt Nürnberg-Süd ist Bernhard Vetter, ein pensionierter Beamter, als braver Bürger bekannt. Seine Steuern habe er „stets rechtsmäßig bezahlt“, bestätigt der Regierungsdirektor, der als Vertreter für die Finanzbehörde im Gerichtssaal sitzt.

Dennoch hadert Vetter mit der Behörde — und hat nun den Rechtsweg eingeschlagen: Kriege fressen Unmengen an Geld, und als Steuerzahler will er sein Scherflein zum Töten nicht mehr beitragen. Seine Abgaben, so schrieb der Friedensfreund seinem Finanzamt, sollen hinterlegt werden, bis „sichergestellt“ sei, dass sie nicht für kriegerische, sondern nur für zivile Zwecke verwendet werden. Vetter ist mit seinen Gewissensqualen nicht allein. Zur Gerichtsverhandlung begleiten ihn mehrere Mitstreiter, einige von ihnen richteten ähnliche Anträge an das Finanzamt, andere sperren ihre Zahlungen teilweise seit Jahrzehnten.

Und bereits heute wird ein weiterer Prozess das Nürnberger Finanzgericht, neben dem Münchner (mit Außenstelle Augsburg) übrigens eines von nur zwei Finanzgerichten in Bayern, beschäftigen: Joachim Schneider, promovierter Ingenieur und Friedensarbeiter bei „Pax Christi“, der internationalen, katholischen Friedensbewegung, betreibt Steuerboykott. Im Januar 2012 wurde sein Konto teilweise gepfändet. Denn auch er ist nicht dazu bereit, den Verteidigungshaushalt mitzufinanzieren und beruft sich, wie vormals Kriegsdienstverweigerer, auf das Grundgesetz, das der Gewissensfreiheit des Einzelnen höchsten Schutz zuspricht.

Keine Zweckbindung

Neu ist der Protest nicht: Bundesweit engagieren sich eine Reihe von Initiativen (www.netzwerk-friedenssteuer.de), die dem Militär den Geldhahn abdrehen wollen. Über 70 Kläger zogen bereits (erfolglos) vor Gericht, und nun scheitert in Nürnberg auch Bernhard Vetter. Dennoch sind die Friedenssteuer-Aktivisten am Ende nicht frustriert. Die Richter des 5. Senats agieren nämlich nicht als Rechtsprechungsroboter, sondern zeigen großes Verständnis: „Wir müssen nach dem Gesetz und über ihre Klage entscheiden, auch wenn mich das Leid dieser Welt selbst täglich erschüttert“, formuliert der Vorsitzende Richter.

Schließlich definiert die Abgabenordnung Steuern als Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung. Damit sind Steuern eine öffentlich-rechtliche Einnahme, der keine bestimmte staatliche Leistung, keine Pflicht zur Gegenleistung und keine Zweckbindung gegenübersteht. Trotz der eindeutigen Rechtslage hören drei Berufsrichter und zwei ehrenamtlich Richter aufmerksam zu, als Vetter vorträgt, wie es ihn quält, dass afrikanische Kindersoldaten mit deutschen Gewehren kämpfen. Wie er es „kaum aushält“, dass die Bayerische Landesbank, zeitweise vom Steuerzahler unterstützt, indirekt in Atomwaffen investiert.

Alternative Zivilsteuer

Die Klage wird abgewiesen, doch die Richter empfehlen den Klägern, Politiker für eine Gesetzesinitiative zu gewinnen. Eine gesetzliche Alternative, meint Joachim Schneider, könnte in einem Zivilsteuergesetz liegen. Nach einem Entwurf des „Netzwerks Friedenssteuer“ würde ein „Bundesmilitärfonds“ geschaffen. Dieser dürfte nur die Steuern derjenigen erhalten, die keine Gewissensprobleme mit militärischer Verwendung haben.

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